Die Malerin von Fontainebleau
in Form von Symbolen oder Bildmotiven anbringen ließ, seinen Anspruch auf die Kaiserkrone demonstrieren.
Das Souper nahm er am liebsten im kleinen Kreis ein, und der Abend gehörte traditionsgemäß den Damen und den schönen Künsten. Franz liebte es, sich nach dem Essen von einem Poeten Verse vortragen oder sich von einem Gelehrten die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse erklären zu lassen. Später als zehn Uhr wurde es meist nicht, denn Franz legte nach wie vor großen Wert auf körperliche Ertüchtigung, und das schloss Völlerei und den Genuss von allzu viel Wein aus.
Meister Rosso stach lustlos mit seinem Messer in ein Stück gebratenen Fisch. Mit der Fastenzeit nahm er es nicht genau, aß Fleisch und trank auch Wein. Weil sich aber Franz’ Religiosität mit zunehmendem Alter verstärkte, wäre es ein Affront gewesen, sich nicht an die Fastenregeln zu halten.
»Mundet Euch das Wasser nicht, Meister Rosso?« Jean de Mallêt saß ihm an der Tafel gegenüber. Der Adlige, der erst kürzlich zum Comte erhoben worden war, was er der Protektion des Connétable zu verdanken hatte, hob seinen Kristallkelch und prostete Rosso zu. Ein Siegelring und zwei kostbare Edelsteinringe schmückten seine Finger, und die Kleidung war von edelster Qualität. Es fehlte nicht viel, und Mallêt würde den König übertrumpfen. Der neu ernannte Comte trug einen kurzen, taubenblauen, ausgeschnittenen Schoßrock, dessen halblange Ärmel den Blick auf ein cremefarbenes Hemd aus feinster Lyoneser Seide freigaben. Die kurzen Kniehosen waren gepolstert und geschlitzt, die Strümpfe cremefarben. Mallêt hatte im Gegensatz zu Franz I. jedoch auf die gegürtete Pelzschaube und Brokat verzichtet.
»Ganz vorzüglich. Wo ist denn Euer Sohn, Monsieur?« Angewidert von der lächelnden Maske des Comte schob der Maler seinen Teller zur Seite. Der Appetit war ihm vergangen.
Die Nasenflügel des Comte blähten sich, das einzige Zeichen, dass er verstimmt war. »Er war noch mit Dringlichkeiten in Fontainebleau beschäftigt, müsste aber bald zu uns stoßen.«
»In Fontainebleau? Was könnte es in der Abgeschiedenheit der Wälder für einen vielversprechenden jungen Mann wie Euren Sohn zu tun geben?« Rosso wollte den Comte aus der Reserve locken, einen Kratzer auf der Maske des Höflings sehen, doch der Aristokrat hielt sich bedeckt.
»Nun, seid Ihr nicht in Fon tainebleau tätig?«
Rosso wandte sich an die neben Mallêt sitzende Hofdame Madame de Tavannes, deren feurige Schönheit die meisten anderen Damen ausstach. »Madame, helft einem armen Künstler aus der Fremde. Würdet Ihr den Hof von Fontainebleau in Abwesenheit Seiner Majestät als karriereförderndes Pflaster für einen Sekretär von Kardinal Tournon bezeichnen?«
Élodie de Tavannes lachte melodisch. Ihre Stimme war rauchig und brachte Saiten in einem Mann zum Klingen, die ihn zu ihrem willenlosen Sklaven machen konnten. Unter langen Wimpern warf sie Rosso einen koketten Blick zu. »Aber Signor Rosso, ich würde Euch schon bald als Franzosen betrachten, so lange seid Ihr schon bei uns. Unser lieber Comte ist heute ein wenig kurz angebunden. Gebt nichts darauf.« Sie klappte ihren Fächer zusammen und klopfte Mallêt damit spielerisch auf die Finger.
Ein gefährliches Gespann, dachte Rosso. Zwei von der Natur mit Schönheit gesegnete Menschen, deren Gemüt wahrscheinlich so schwarz war wie die Roben der Poitiers und ihrer Clique. Der strenge Schnitt der nach spanischer Mode gefertigten Kleider von Diane de Poitiers und ihren Damen hätte in keinem größeren Gegensatz zu den Roben von Madame d’Étampes und ihren Hofdamen stehen können. Die strahlende Fröhlichkeit von Anne und die leuchtenden Farben der Kleider, die dezente Blicke auf weibliche Reize gewährten, hätten symbolträchtiger nicht sein können.
Auch die Königin war anwesend. Rosso bedauerte die weder schöne noch elegante Frau, die zwar die Schwester von Kaiser Karl, dem mächtigsten Herrscher des Abendlandes, war, doch für Franz nie etwas anderes als ein Unterpfand des Friedens nach der verlorenen Schlacht von Pavia geworden war. Dazu kam, dass ihre Ehe kinderlos geblieben war.
Franz’ Kinder stammten alle aus seiner ersten Ehe mit Claude de France. Eleonore war Habsburgerin und der Thron, auf dem sie saß, feindliches Ausland. Das französische Volk jedoch rechnete ihr hoch an, dass sie Frieden gebracht hatte. Wie demütigend musste die Anwesenheit von Anne de Pisseleu sein, an deren Lippen ihr Gatte
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