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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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das Thema wie der Teufel das Weihwasser. Pellegrino hingegen ließ immer wieder Anspielungen fallen, die es Rosso leicht gemacht hätten, über Luca zu sprechen, und es ärgerte ihn umso mehr, dass der Meister nicht darauf ansprang. Rosso war ein guter Menschenkenner und vermutete neben Pellegrinos Eifersucht ein weiteres Motiv für dessen Verärgerung. Rosso hatte nämlich längst begriffen, dass die junge Frau ein außerordentliches Talent für die Malerei besaß. Hätte man sie bereits als Kind gefördert, wäre sie eine große Malerin geworden und hätte manchen männlichen Kollegen
ausstechen können. Auch Pellegrino konnte die Augen vor ihrem Talent nicht verschließen, wachte eifersüchtig über Rosso und fürchtete eine Beschneidung seiner Verantwortlichkeiten.
    Ob sie wusste, in welch prekäre Lage sie sich durch ihre Verkleidung gebracht hatte? Wahrscheinlich nicht, sonst würde sie aus Furcht ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Er kannte die Hyänen des Hofes besser als sie. Jedes noch so kleine Gerücht konnte sich zu einem Skandal auswachsen und eine Lawine ins Rollen bringen. Jede Schwäche wurde bei Hofe doppelt ausgenützt, um mit einer Intrige daraus Kapital zu schlagen. Darin waren die Franzosen genauso gewandt wie die Italiener.
    Vom Château kam ein einzelner Reiter heruntergesprengt. Als sie an einer Weggabelung aufeinandertrafen, zügelte der verwegen aussehende Reiter sein Pferd. Für diese »wilden Reiter« des Königs, wie sie genannt wurden, hegte Rosso Respekt, denn sie beherrschten die Reitkunst wie kaum jemand sonst. »Wohin so eilig? Gelüstet es Seine Majestät nach Austern?«
    Im Vorbeireiten rief der Kurier: »Ihr habt es erraten, Meister Rosso! Soll ich Euch einen speziellen Meeresfisch mitbringen?«
    Doch eine Antwort erwartete der Kurier nicht, hob die Hand zum Gruß und ließ sein Pferd angaloppieren. Rosso lachte. Während der Fastenzeit kam es häufig vor, dass der König seine Kuriere zur nächstgelegenen Meeresküste sandte, damit sie frischen Fisch brachten. Dieser Rex christianissimus , ein Titel, den Franz gern gebrauchte, führte ein rastloses Leben, was aber nicht zwangsläufig den Verzicht auf höfischen Luxus bedeutete. Seit seiner Ankunft in Frankreich hatte Rosso bereits einige Male Gelegenheit gehabt, das fliegende Lager des französischen Regenten mitzuerleben.
Er selbst zog das ruhige Leben in Fontainebleau allem anderen vor, doch dem Ruf des Königs konnte sich niemand entziehen.
    Auch jetzt im Alter und trotz seiner häufiger ausbrechenden Krankheit zeigte der König keinerlei Neigung, sich in eines seiner Schlösser zurückzuziehen. Franz’ Leben bestand darin, seine Ländereien zu bereisen und zu bejagen, und vielleicht, dachte Rosso, war es genau jene agile Lebensweise, die den König vor einem Dahinsiechen im Bett bewahrte. Rund um das Château de Ventadour waren weiße Zelte aufgebaut, in denen der Teil des Trosses untergebracht war, der im Schloss keinen Platz gefunden hatte. Bunte Wagen waren darunter, die den Schauspielern und Spielleuten gehörten, aber auch die Weinhändler, die Bäcker, Geflügel-, Obst- und Gemüsehändler begleiteten den königlichen Tross mit ihren teils abenteuerlich geschmückten Gefährten. Es war die Aufgabe des Großprofosen, die Händler zu organisieren, die ein Monopol zum Verkauf an die Höflinge erhielten. Demgemäß war ein Platz im königlichen Tross äußerst begehrt und der Großprofos ein umschwänzelter Mann.
    Rossos Blick flog über die unterschiedlichen Waren und Menschen. Darunter waren auch Stroh- und Haferlieferanten, denn die Zahl der mitgeführten Reit- und Tragtiere war immens. Er hörte eine Hundemeute bellen. Die königlichen Jäger waren ebenso mit von der Partie wie die Piköre, die neben den Wagen mit den Jagdnetzen und Fallen standen. Von den einstmals grünen Weiden, die das Schloss umgaben, war unter dem Getrampel tausender Hufe und schwerer Wagen kaum noch etwas übriggeblieben, und der Regen spülte die Grasnarben aus, so dass Menschen und Tiere knöcheltief im Matsch wateten.
    Die gute Laune des Malers verflüchtigte sich, als er in den Schlosshof einritt und den Connétable Montmorency
an der Seite von Jean de Mallêt erblickte. Die beiden hochmütig dreinblickenden Männer standen neben den Zeltern, welche die Weinflaschen für die königliche Tafel transportierten, und diskutierten mit dem Mundschenk. Der arme Mann wedelte hilflos mit den Armen und zeigte wieder und wieder auf die vollbeladenen

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