Die Malerin von Fontainebleau
hing, während er seine Frau ignorierte. Rosso konnte Eleonore von Österreich nicht verdenken, dass sie ihre Zeit am liebsten zurückgezogen in Blois verbrachte. Doch in einigen Wochen stand ein Treffen mit Karl an, und auf ein Wiedersehen mit ihrem Bruder freute sich die Königin sicher über die Maßen.
Diane de Poitiers war nicht zugegen, was den mürrischen Ausdruck auf Henris Gesicht erklärte. Seine Frau, Katharina de Medici, unterhielt sich angeregt mit Anne und dem König. Rosso mochte die zukünftige Königin Frankreichs nicht nur, weil sie Italienerin war, sondern vor allem, weil sie Intelligenz und Witz versprühte. Während er die Anwesenden beobachtete und Mallêts provozierenden Blick spürte, wurde Rosso das Gefühl nicht los, dass etwas in der Luft lag. Er konnte es nirgends festmachen, und doch war er davon überzeugt, dass es zu einem Streit kommen würde. Vielleicht lag es am Wetter – Nebel und Regen legten sich auf die Gemüter -, vielleicht an der finsteren Miene des Schlossherrn, der den ganzen Abend über kaum ein Wort gesprochen hatte. Charles de Ventadour, ein ältlicher Mann mit einem tiefen Schmiss auf der Wange, saß zur Rechten des Königs.
Ein junger Franzose erhob sich nach Aufforderung des Königs und trug ein Liebessonett vor. Rosso schenkte dem mittelmäßigen Vortrag keine Aufmerksamkeit. Außer Marot und Rabelais interessierten ihn keine französischen Literaten. Von seinem Platz aus hatte er einen guten Blick auf Franz, Connétable Montmorency, der links neben dem König saß, und Henri, der mit den Fingern gelangweilt auf dem
Tisch trommelte und sich sogleich nach dem Ende des dichterischen Vortrags erhob. »Ich bitte, mich zu entschuldigen, Sire.«
Der König hob die Augenbrauen. »Ihr solltet Euch mehr für die Poesie begeistern, mein Sohn. Ein zukünftiger König sollte dem Volk ein Beispiel geben. Raufereien und Duelle sind keine vorbildhaften Interessen.«
Diese Maßregelung vor allen Anwesenden blieb nicht ohne Wirkung. Rosso sah, wie Henri die Lippen zusammenpresste, bis sie weiß wurden.
Montmorency, der sich bis dahin in vornehmes Schweigen gehüllt hatte, kam dem Thronfolger zu Hilfe. »Das Privileg der Jugend, Sire, ist der Überschwang. Ihr seid doch selbst ein großer Freund körperlicher Ertüchtigung.«
Franz spielte regelmäßig Paume, ein Ballspiel, bei dem nur wenige Höflinge ihn schlugen, da Franz über eine gute Kondition und eine enorme Körpergröße verfügte, die ihm eine ungewöhnliche Reichweite ermöglichte.
»Ich spreche nicht von gelegentlichen Entgleisungen. Die haben wir uns alle geleistet. Mir ist vielmehr ein Unglück zu Ohren gekommen, welches Ihr verschuldet habt!« Der König beugte sich vor und sah seinem Sohn direkt in die Augen.
Henri verlagerte sein Gewicht lässig auf ein Bein und spielte mit seinem Degen. »Wir haben gefochten, weiter nichts!«
»Vergesst nicht, mit wem Ihr sprecht, Henri!«, donnerte Franz. »Verkauft mich nicht für dumm! Ein Page ist zu Tode gekommen!«
Henri verzog den Mund und sagte mit kalter Stimme: »Eben, nur ein Page. Was für ein Gewese um einen Dienstboten! Er wollte mitspielen und …« Er zuckte mit einer Schulter. »Seine Fechtkünste waren bescheiden, und schwimmen konnte er auch nicht.«
Da schaltete sich Charles de Ventadour in das Gespräch ein. »Der Junge, über den Ihr so abfällig zu sprechen beliebt, war der Sohn meines besten Freundes, Louis de Guyenne. Philippe ist gerade dreizehn Jahre alt geworden. Man hatte ihn mir anvertraut. Und nun muss ich seinem Vater die traurige Botschaft überbringen.« Dem alten Mann standen Tränen in den Augen.
Seine Worte schienen Henri zu verunsichern, denn er wirkte plötzlich weniger selbstsicher, und rote Flecken zeigten sich auf seinen Wangen. »Das wusste ich nicht. Ich meine, es war ein Unfall. Wir haben uns zum Spaß duelliert. Mein Gott, Ihr wisst doch selbst, wie das ist, wenn Männer raufen und ihre Kräfte messen.«
Der Comte de Mallêt und auch alle anderen Anwesenden verfolgten das Geschehen schweigend mit ernsten Mienen, denn nur selten verlor der König die Beherrschung.
»Männer! Guyenne mit seinen dreizehn Jahren war wohl kaum ein Mann, oder wollt Ihr mir erzählen, dass Ihr Eure Kräfte mit Knaben messt? Das wäre doch wahrhaft erbärmlich!«, fuhr Franz seinen Sohn an. »Ihr entschuldigt Euch bei unserem Gastgeber und setzt eine schriftliche Entschuldigung an die Familie des Toten auf. Des Weiteren will ich eine Liste aller
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