Die Malerin von Fontainebleau
Hätte ich vorausgesehen, dass Diane aus meinem Sohn eine Marionette macht, ich hätte sie nie ins Vertrauen gezogen. Doch nun ist es geschehen, und zurzeit ist es mir lieber, Henri stößt sich die Hörner bei der älteren Diane ab. Zumindest weiß ich sie einzuschätzen.«
Rosso wusste um die lange zurückliegende Affäre zwischen dem König und Diane de Poitiers.
»Aber …« Franz I. lächelte. »Nun lasst uns über die wichtigen Dinge des Lebens sprechen – die Künste, Eure Kunst! Ich kann es kaum erwarten, im Sommer nach Fontainebleau zurückzukehren. Denkt Ihr, dass die Galerie bis dahin fertig sein wird?«
»Wenn ich meine ganze Schaffenskraft einzig der Galerie widmen könnte, vielleicht. Doch selbst wenn ich mit den Fresken so weit bin, muss der Boden noch verlegt werden. Das Kabinett wird Euch überraschen, Sire.«
»Wirklich? Inwiefern? Macht es nicht zu spannend, Meister Rosso. Ich bin viel zu neugierig. Vielleicht muss ich Euch noch vor diesen leidigen Verhandlungen in Nizza besuchen.« Franz legte den Kopf zurück und sagte träumerisch: »Wo auch immer ich gerade bin, ich vergleiche alles mit Fontainebleau. Chambord wird großartig, prächtig, ein Château zum Ruhme Frankreichs. Euer Landsmann, Domenico da Cortona, leistet gute Arbeit. Blois, nun ja, Blois ist ein Kompromiss. Fontainebleau aber ist die Quintessenz all dessen, was Euer großartiges Land hervorgebracht hat und was mir lieb
und teuer ist: Schönheit, Geist, Genialität, gemischt mit ein wenig französischer Noblesse …«
»Sire, nur dank Eurer Großzügigkeit ist es möglich, dass ich diese einzigartige Symbiose von Skulptur, Bild und Raum verwirklichen kann. Zudem habt Ihr wesentlichen Anteil am Gesamtkonzept. In ihrer Rätselhaftigkeit wird die Galerie einmalig sein. Nur die wenigsten verfügen über eine so umfassende Bildung wie Eure Majestät.«
»Käme das Kompliment aus dem Munde eines meiner höfischen Schmeichler, es bedeutete mir nichts, doch von Euch nehme ich es mit Stolz an.« Franz seufzte. »Eine Krone ist ein zweischneidiges Ding. Sie drückt, und sie ermöglicht einem Dinge, die den normalen Sterblichen auf ewig verwehrt sind. Mein Vermächtnis für mein Land besteht zu einem Teil in dem, was Ihr in Fontainebleau erschafft.« Er streckte die langen Beine aus. »Ich hoffe, Ihr seid Euch dieser Verantwortung bewusst«, sagte er mit einem feinen Lächeln.
»Ein Künstler strebt immer nach Vollkommenheit und ist sich selbst der schärfste Kritiker. Von daher könnt Ihr versichert sein, dass nur das Beste, das zu schaffen ich im Stande bin, Duldung findet«, erwiderte Rosso.
»Ihr nehmt kein Blatt vor den Mund, Meister Rosso, und Bescheidenheit ist nicht immer eine Tugend. Brav gesprochen! Schaut her!« Franz holte eine goldene Münze aus seinem Geldbeutel und ließ sie auf dem Tisch zu Rosso rollen.
Der nahm sie in die Hand und begutachtete die Prägung. Das königliche Porträt war ebenso wie die Bügelkrone darunter von herausragender Qualität. Seit dreihundert Jahren war die geschlossene Bügelkrone ein ausschließliches Insigne des römischen Kaisers. Wenn Franz dieses Symbol auf seine Münzen prägen ließ, musste man das als politische Botschaft deuten, wie der Herrscher seine Stellung auffasste und wie er sie von anderen verstanden haben wollte. Wie
zur Bestätigung sagte Franz: »Ihr wisst, dass meine Urgroßmutter eine Visconti war?«
»Sire?« Rosso wusste natürlich, dass der König damit auf seine dynastischen Ansprüche anspielte, die bis zu Karl I. reichten, und hoffte nur, dass es keinen neuen Krieg geben werde.
»Wenn ich Mailand und Neapel besäße … Italien ist Sitz des römischen Kaisers, von jeher. Dort wurde die Antike wiedergeboren. Niemand als Ihr weiß das besser. Und dieser elende Tropf, dieser engstirnige Habsburger wurde von den Dummköpfen zum Kaiser gewählt …« Franz ballte die rechte Hand zur Faust und starrte abwesend auf eines der Banner. »Er wirft die Welt zurück in die Dunkelheit! Deshalb habe ich den Schmalkaldischen Bund unterstützt, den Protestanten die Hand gereicht.« Er sah Rosso an. »Es ist ein Kampf, ein täglicher, zäher Kampf. Ich möchte erneuern, ein zweiter Alexander sein! Aber die Realität zwingt mich in die Knie. Frankreich ist nicht England, wir leben nicht auf einer Insel. Außerdem sind Heinrichs Gründe für seine Abspaltung von der Kirche liederlich.«
Der Zwischenfall mit seinem Sohn hatte Franz melancholisch werden lassen. Rosso hielt ihn
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