Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
Judas Makkabäus, sowie Artus, Karl der Große und Gottfried von Bouillon.
    Die kalten, muffigen, feuchten Gänge und Räume des Schlosses schienen Rosso schier zu erdrücken. Um in den Genuss frischer Nachtluft zu kommen, stieß er die Tür zum Hof auf, wurde jedoch vom Gestank der Küchenabfälle, die hier zusammengekehrt worden waren, zurückgeworfen. Hundekot und Pferdemist taten ein Übriges, doch Rosso sprang beherzt auf eine einigermaßen saubere Fläche. Dort hob er sein Gesicht zum sternenklaren Nachthimmel. »Die Sibylle von Tibur«, murmelte er und starrte auf die hellen Punkte am nächtlichen Firmament. Wenn er sich nicht täuschte, war dort das Sternbild der Kassiopeia, ein von Ptolemäus entdecktes Bild.
    Mit einem leisen Seufzer senkte er den Blick auf die Erde. In einem Seiteneingang standen zwei Höflinge, junge Burschen, die er in Henris Gefolge gesehen hatte. Wahrscheinlich diskutierten sie den Tod des Pagen. Armer Teufel. Sicher hatte er sich anfangs geehrt gefühlt, dass der Dauphin und seine Kumpanen ihn in ihr Amüsement einbezogen, und zu spät gemerkt, dass er nichts weiter als ein Spielzeug für sie war. Irgendwo schlug eine Tür zu.
    »Meister Rosso? Seid Ihr das da draußen?«
    Pellegrino stand mit einer Fackel vor dem Gebäudetrakt, in dem sich ihr Quartier befand.
    »Francesco, ich komme.« Als er bei seinem Gefährten ankam, rümpfte dieser die Nase.
    »Hier stinkt es wie in einer Kloake. Ich bin froh, wenn
der Tross endlich weiterzieht. Was will der König in diesem elenden Loch? Ich war bei den Händlern unten und habe Oliven und Schinken aus Parma aufgetrieben. Was sagt Ihr dazu?«
    »Und einen Tropfen Sangiovese?«, fragte Rosso hoffnungsvoll.
    »Selbstredend, Meister.«
    Erheblich besserer Stimmung stieg Rosso hinter Francesco Pellegrino die Treppen hinauf und ignorierte Mäuse und anderes Getier, das sich in den Ecken verkroch, als der Schein der Fackel darauf fiel. Hätte er Wanzen in seinem Schlafraum gefunden, es hätte ihn keine Nacht dort gehalten, doch wenigstens von diesen Plagegeistern waren sie verschont geblieben. Nach dem ersten Schluck vollmundigen Rotweins atmete Rosso tief durch. »Auch ich habe eine gute Nachricht. Morgen reisen wir nach Fontainebleau zurück.«
    »Fabelhaft!« Pellegrino strahlte. Genau wie sein Meister liebte er edle Kleidung und legte Wert auf Reinlichkeit.
    »Einziger Wermutstropfen ist ein neuer Auftrag.«
    Francesco hob erwartungsvoll die Augenbrauen, während er sich etwas Schinken abschnitt und zusammen mit Feigen, Käse und schwarzen Oliven auf einen Teller legte.
    »Der König wünscht ein Gemälde mit dem Motiv der tiburtinischen Sibylle.« Rosso klaubte sich eine Scheibe Schinken vom Teller, wickelte eine Olive darin ein und schob sich den Bissen genüsslich in den Mund. Die vertrauten Aromen entfalteten sich, und mit geschlossenen Augen wähnte er sich fast in Florenz.
    »Mit einer Wahrsagerin?«
    »Nicht irgendeine. Die Sibylle von Tibur war eine Prophetin zur Zeit des Kaisers Augustus. Der römische Senat beschloss seine Apotheose, also die Erhöhung eines Menschen zum Gott. Augustus ging daraufhin zur tiburtinischen Sibylle,
um sich Rat zu holen, ob er diese Erhöhung annehmen sollte. Sie sagte dem Kaiser die Ankunft eines Kindes voraus, das größer als alle römischen Gottheiten sein werde. Der Himmel riss auf und zeigte dem Kaiser in einer Vision die Heilige Jungfrau mit dem Jesuskind auf dem Arm.«
    »Oh, natürlich, jetzt entsinne ich mich. Der Kaiser wird meist gezeigt, wie er die Krone abnimmt, und das Zepter liegt am Boden. Und der König setzt sich dem Kaiser gleich, oder warum möchte er ausgerechnet dieses Motiv?« Pellegrino zog einen gewachsten Jutesack hervor und begann zu packen.
    »Die Deutung liegt dann im Auge des Betrachters, ganz wie der König es mag. Aber er möchte sich im Kreise der Familie und mit dem gesamten Hofstaat abgebildet sehen. In Gesellschaft von Augustus, der Sibylle und der Jungfrau kann man Franz dann auch als frommen Herrscher sehen, der die Zeichen richtig deutet und der Kirche huldigt. In unruhigen Zeiten wie diesen ist das eine kluge Botschaft.«
    Francesco pfiff durch die Zähne. »Mit dem gesamten Hofstaat, hm? Das wird eine komplexe Komposition, und natürlich hätte er das Werk am liebsten übermorgen, nicht wahr?«
    »Selbstverständlich. Er ist der König, nicht wahr?«
    Sie scherzten noch eine Weile, bevor sie sich zur Ruhe begaben, denn am nächsten Morgen wollten sie bei

Weitere Kostenlose Bücher