Die Malerin von Fontainebleau
Saat von diesem Luther ist schneller aufgegangen, als wir dachten. Wir müssen die Ketzer mit aller Schärfe verfolgen!« Kardinal Carafa redete sich bei seinem Lieblingsthema leicht in Rage und musste sich zügeln, denn Seine Heiligkeit liebte Gefühlsausbrüche nicht. Dieser Papst gab sich gern großmütig und großzügig, vor allem seiner Familie gegenüber, was ihm den Ruf der Vetternwirtschaft eingebracht hatte. Außerdem pflegte Paul III. einen Hang zu Reformen. Aber Carafa vertraute seinem angeborenen Durchsetzungsvermögen.
Paul III., geboren als Alessandro Farnese, lehnte sich nachdenklich in seinem Stuhl zurück. Er war fast siebzig Jahre alt, und sein Rücken machte ihm zu schaffen. »Ich kenne Euren Hass auf Häretiker, Carafa. Hass ist keine gute Triebfeder, mäßigt Euch. Wir müssen unsere heilige Kirche von innen heraus reformieren. Dann brauchen wir auch Leute wie Luther, Calvin, Bucer, oder wie sie alle heißen, nicht zu fürchten. Wir müssen neue Stärke erlangen und unser Ansehen beim Volk zurückgewinnen.«
Das rote Samtcape lag schwer auf den päpstlichen Schultern, aber das gebrechliche Äußere Pauls täuschte, dachte Carafa. Der Farnese-Papst war noch lange nicht am Ende
seiner Tage angelangt, dazu war er zu zäh. Und deshalb setzte Carafa ein diplomatisches Lächeln auf. Seine Zeit würde kommen. »Da stimme ich Euch vollkommen zu, Eure Heiligkeit. Und genau deshalb brauchen wir neue Instrumente.«
Argwöhnisch sah der Papst ihn an. »Ich werde eine Inquisition, wie sie in Spanien praktiziert wird, niemals dulden!«
»Aber nein!«, beschwichtigte Carafa eilig. Zu oft schon hatte er seinem Herrn mit dem Wunsch nach strengeren Mitteln zur Ketzerverfolgung in den Ohren gelegen. »Ich meine treue Diener unserer Kirche, die gleichsam unsere Augen und Ohren sind. Sozusagen eine Verlängerung des kirchlichen Arms.«
»Und an welche Art Diener habt Ihr gedacht?« Paul III. strich sich über den langen weißen Bart und reckte sein Kinn vor.
Ah, ich habe deine Neugier geweckt. »Verdiente Männer wie Monsignor Sampieri. Dominikanermönche, die stark im Glauben und überzeugend im Wort sind. Ihr selbst habt die Ernennung Sampieris zum Monsignore erlassen, und er wird Euch nicht enttäuschen.«
»Habe ich das? Ja, ja, da waren einige Ernennungen. Gut denn, wenn es darum geht, sollt Ihr meinen Segen haben. Überzeugungsarbeit muss auf allen Ebenen geleistet werden. Was ist mit Euren Theatinern?«
Carafa gehörte neben Cajetan, Bonifacio da Colle und Paolo Consiglieri zu den Gründern des Theatinerordens, der sich seit nunmehr dreizehn Jahren der Reform der Kirche widmete. Mit Carafa als Ordensoberhaupt war die konservative Orientierung des Ordens nicht verwunderlich. »Unser Wirkungsgebiet ist bislang auf Italien beschränkt, was unter anderem an der noch geringen Zahl unserer Ordensbrüder liegt. Aber wo wir tätig sind, werden die Ketzer merklich verdrängt.«
»So ist es recht. Tragt die Richtlinien der heiligen Mutter Kirche zum Volk! Priester und Ordensbrüder, die sich natürlichen Respekt verdienen, sind unser bestes Aushängeschild!«
Die Ordensbrüder der Theatiner waren für die strenge Einhaltung ihrer Gelübde bekannt und ein Vorbild für Orden, deren Vertreter weltlichen Genüssen allzu oft nicht abgeneigt waren. Du Scheinheiliger, dachte Carafa, der um die unkeuschen päpstlichen Vergnügungen wusste. Wie viele päpstliche Bastarde Rom bevölkerten, wusste wahrscheinlich nicht einmal Seine Heiligkeit selbst. »Es wäre noch eindrucksvoller, wenn so verdienstvolle Männer wie Monsignor Sampieri eine Vollmacht Eurer Heiligkeit vorweisen könnten, den Zweiflern, meine ich.« Doch Carafa kam nicht mehr dazu, die Art der Vollmacht erläutern, die nichts anderes als die Legitimation zu Befragungen darstellte, denn die Tür schwang auf.
Der päpstliche Sekretär kam herein, verneigte sich tief, so dass man seine Tonsur sehen konnte, und sagte im Flüsterton: »Seine Exzellenz Kardinal Sadoleto wünschen Euch zu sprechen, Eure Heiligkeit.«
Carafa unterdrückte ein genervtes Stöhnen und faltete ergeben die Hände über dem Bauch. Er war stolz auf seinen sehnigen Körper, den er mit täglichen Spaziergängen und kalten Bädern in Form hielt. Selbstverständlich gab er sich nicht der Völlerei hin wie die meisten Dummköpfe, die dann spätestens mit dreißig ihren ersten Gichtanfall hatten und mit vierzig bereits wie alte Männer aussahen.
Sadoleto war einer der neun Kardinäle, mit
Weitere Kostenlose Bücher