Die Malerin von Fontainebleau
denen er auf Geheiß Seiner Heiligkeit in langen, mühseligen Sitzungen die Reformen der Kirche diskutiert hatte. Dabei hatten sich Sadoleto und Contarini, diese venezianische Schlange, als besonders harte Gegner erwiesen. Beide vertraten die gemäßigte
Richtung und wollten eine Aussöhnung mit den Protestanten. Niemals! Wenn es sein musste, würde Carafa selbst die Scheiterhaufen anzünden. Und bei Gott, es würde ihm eine Freude sein, die Ketzer brennen zu sehen.
Der Papst machte eine zustimmende Kopfbewegung, und sein Sekretär öffnete die Tür, um Sadoleto hereinzulassen. Das rote Zingulum spannte über Sadoletos massigem Leib, den er mit durchgedrücktem Kreuz vor sich herschob. Seine hohe Stirn wölbte sich über klugen Augen. Jacopo Sadoleto war ein Gelehrter für klassische Sprachen und ehemals Sekretär Leos X., weshalb ihm der Vatikan seit Jahren vertraut war. »Eure Heiligkeit!«
Trotz seines Gewichts kniete der Kardinal mit überraschender Eleganz vor dem Papst und küsste den dargereichten Ring.
»Nun, mein Guter, was führt Euch zu Uns?«, fragte Paul III. wohlwollend.
Sadoleto warf einen missmutigen Blick auf Carafa. »Dass Ihr hier seid, hätte ich mir denken können. Umso besser, denn um Eure unerträgliche Ignoranz geht es.«
Carafa kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sollte Sadoleto seinen Standpunkt darstellen, er kam zu spät.
»Contarini und ich sowie zwei weitere Mitglieder der Kommission sind für eine Aussöhnung mit den Protestanten. Es hat sich gezeigt, dass sie zäher und einflussreicher sind, als wir dachten, und genau genommen können wir ihnen ihre Kritik nicht einmal verübeln.« Sadoleto setzte ein um Verständnis bittendes Lächeln auf, das der Papst erwiderte.
»Da wir unter uns sind, können wir zugeben, dass wir dem Volk nicht immer ein gutes Beispiel gewesen sind. Leider sind wir auch nur Menschen. Eh, Carafa, was schaut
Ihr so überheblich? Das gilt auch für Euch! Oder denkt Ihr, ich weiß nichts von Euren nächtlichen Besuchern? Die Eltern, die ihre Kinder zu Euch schicken, werden wohl wissen, wofür sie gut bezahlt werden.« Paul III. sah seinen Kardinal scharf an.
Carafa jedoch verzog keine Miene, auch wenn er innerlich vor Wut zitterte und fieberhaft überlegte, wer ihn verraten hatte. »Natürlich, Eure Heiligkeit. Wir alle sind Sünder. Aber wir können um Vergebung für unsere Sünden bitten, und die Vergebung wird uns gewährt. Womit wir bei einem der wichtigsten Punkte wären!« Er hatte seine Selbstsicherheit wiedererlangt. »Die ganze Ketzerbrut leugnet das Sakrament der Beichte, die Eucharistie, und sie lehnen die Heiligenverehrung ab. Das ist unerträglich! Unsere Heilige Gottesmutter zu verleugnen! Und überhaupt, jetzt ist die Heilige Schrift auch noch ins Französische übersetzt worden. Den Laien ist es verboten, die Worte Gottes zu lesen. Wir sind das Sprachrohr des Herrn!«
Hüstelnd bemerkte Sadoleto: »Euer Denken ist rückwärtsgewandt, Carafa. Die Buchdruckkunst ist nicht aufzuhalten, genauso wenig wie die Entdeckung der Welt. Oder habt Ihr vergessen, dass Kolumbus Land im Westen gefunden hat, Amerigo Vespucci die Neue Welt erkundet und Magalhães ein weiteres Meer auf der anderen Seite der Welt entdeckt hat?«
»Ihr selbst bewegt Euch auf dünnem Eis, Sadoleto.« Carafa spie den Namen förmlich aus. »Die griechische Sprache ist ketzerisch, genau wie die Texte von Aristoteles und Vergil, denen Ihr so gewogen seid.«
Seufzend ließ Sadoleto sich auf einem Stuhl nieder. »Eure Heiligkeit, es liegt mir fern, jemanden in Eurer Gegenwart zu beleidigen, aber Ihr müsst zugeben, dass die Worte unseres Carafa von großer Dummheit sprechen.«
Vor den geöffneten Fenstern der päpstlichen Gemächer zwitscherten Spatzen, die sich unten im Sand badeten und jedes Mal aufflogen, wenn eine Katze vorbeischlich. Die Blätter der Laubbäume verfärbten sich, der Oleander verlor seine leuchtenden Blüten. Der Papst wandte langsam den Blick von seinem Garten und sagte mit hörbarer Resignation: »Es liegt eine Wahrheit in beiden Meinungen.«
»Was?«, entrüstete sich Sadoleto.
Doch der Papst hob warnend seine Hand. »Eine unangenehme Wahrheit für den, der gelehrt ist und dessen Glaube nicht erschüttert wird von den alten Schriften, weil er weiter sieht als der Ungebildete, der entzündet wird von einem Funken, dessen Tragweite er nicht versteht.«
Carafa war erleichtert, er hatte Seine Heiligkeit nicht unterschätzt. Die innere
Weitere Kostenlose Bücher