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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Kirchenreform war eine Sache, aber ohne die Verteidigung durch Feuer und Schwert würde das Fundament der heiligen römischen Kirche brüchig werden. Und der Zweck heiligte die Mittel, stand das nicht irgendwo geschrieben?

IV
    Fontainebleau
    Galerie Franz’ I.
     
     
     
    A rmido strich mit der Hand über das wohlgeformte Bein der Frau. Es fühlte sich kalt und glatt an, die Proportionen waren perfekt. »Wundervoll!«
    Er trat drei Schritte zurück und begutachtete sein Werk aus der Entfernung. Nun, es war nicht ganz sein Werk, denn Meister Rosso hatte die Entwürfe gemacht, aber er hatte die Figur ausgeführt, hatte der Karyatide, die rechts neben dem Fresko den Betrachter einzuladen schien, Leben eingehaucht. Jemand klopfte ihm auf die Schulter.
    »Gut gemacht, Alter! War ein schweres Stück Arbeit. Ich beneide dich nicht darum.« Francesco Scibec de Carpi war ein schlanker Norditaliener, der seine kurzen Haare unter einer Lederkappe versteckte. Die Kappe schützte ihn gegen umherfliegende Splitter oder Schuttbrocken, denn die königliche Galerie war eine riesige Baustelle, auf der de Carpi für die Holzvertäfelung zuständig war.
    Bereits am Tag seiner Ankunft in Fontainebleau hatte Armido den feinen Humor und das großzügige Wesen des Schnitzers kennen und schätzen gelernt. »Danke, Francesco. Bin ich froh, dass sie endlich steht. War verflixt kompliziert, sie genau zwischen den Säulen zu platzieren.«
    Scibec nickte und tippte mit einem Fuß auf den Boden. »Uneben. Wir haben genug Probleme, die einzelnen Tafeln anzupassen, aber Holz ist geduldiger und lässt sich einfacher
bearbeiten.« Sein Blick glitt über die prächtigen Tafeln, die den unteren Wandbereich des langgestreckten Raumes schmücken sollten und zur Begutachtung aufgestellt worden waren. Solange die bildnerischen Dekorationen noch nicht fertig waren, konnte das Holz nicht angebracht werden, denn die Feuchtigkeit im Raum war zu hoch und hätte das Holz zum Quellen gebracht. Scibec hatte seine Tafeln unter dem Fresko der Vénus frustrée aufgestellt, neben dem Armido seine Karyatide platziert hatte.
    »Wird sich die Dreiteilung unter den Fresken überall finden?«, fragte Armido den Kunsttischler.
    »Ja. Ich hätte einen Wechsel vorgezogen, aber Meister Rosso hat darauf bestanden, und inzwischen sehe ich den Grund dafür – eine gewisse Regelmäßigkeit im unteren Bereich erlaubt ihm mehr Spielraum oben und wirkt mit den aufgesetzten Wappenschnitzereien nicht ermüdend.«
    Die Schnitzereien waren von exquisiter Handwerkskunst und teilweise vergoldet, eine Variante, die sich auch in der kassettierten Decke fand. Kräftige Holzbalken unterteilten die Decke in fünfzehn Felder, welche die gegenüberliegenden Wand- und Fensterflächen einer Travée verbanden. Die Galerie maß etwas mehr als vierundsechzig Schritte in der Länge und etwa sechs Schritte in der Breite. Sie befand sich in der Beletage des dreigeschossigen Verbindungsflügels zwischen dem alten Schloss und der Mathuriner-Abtei, die in absehbarer Zeit dem neuen Flügel würde weichen müssen. Die Mathuriner waren ein Trinitarier-Orden, zu erkennen an ihrer weißen Tracht mit blaurotem Kreuz.
    Armido war von den Ausmaßen des Raumes immer noch beeindruckt und fand die Aufteilung im Vergleich zu italienischen Anlagen ungewöhnlich. Aber das entsprach Meister Rosso. Durchschnittliches zu schaffen war seine Sache nicht. Und dieser Raumtypus war etwas völlig Neues.

    »Hast du schon etwas Ähnliches gesehen, Francesco?« Armido sah zu den hohen Fenstern, durch die man in den Garten blickte, an dem ebenfalls gearbeitet wurde.
    Scibec machte eine vage Handbewegung. »Nein, in dieser Art noch nichts. Was Meister Rosso und der eigenwillige Breton – selbst der König soll ja seinen Anteil an der Idee gehabt haben – hier entworfen haben, ist eine neue Form von Wandel- und Laubengang in einem, und dazu kommt der Besucher in den Genuss großer Kunst.« Der Schnitzer grinste. »Unsere Kunst kann nicht anders als groß sein, eh?«
    Armido legte seinem Freund einen Arm um die Schulter. »Wir sind Italiener, oder nicht?« Er hatte noch etwas sagen wollen, brach aber ab, als er einen Mann in höfischer Kleidung zwischen den Handwerkern hindurchstolzieren sah.
    Scibec stutzte und drehte sich um. »Oh, nicht der! Ich kann diesen Laffen nicht ausstehen! Wann immer er auftaucht, bedeutet das Ärger. Was er wohl wieder im Schilde führt …«
    »Monsieur!« Armido hakte die Daumen in seinen

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