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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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dass sie Rosso das Blatt zeigen konnte. Heute Abend wollte sie mit ihm sprechen und ihm dabei auch die Zeichnung vorlegen.
    Bis es so weit war, konnte sie Matteo beim Anmischen der Farben für den nächsten Tag helfen. Matteo pfiff eine Weise, die sie aus ihrer Heimat kannte, und füllte eine Flasche mit Kalkwasser. »Wichtig ist, dass sie gut verkorkt ist. Wenn sich eine Haut bildet, kann ich das Wasser weggießen.« Er zog an ihrer Lederkappe. »Was trägst du immer diese speckige alte Kappe? Langsam wird es zu warm dafür, oder hast du einen beuligen Schädel?«

    Sie zog den Kopf weg und schubste seine Hand fort. »Lass das nur meine Sorge sein. Sag mir lieber, wie du dieses herrliche Blau herstellst. Für die Werkstatt in Siena haben wir bei Bedarf nur geringe Mengen von den Ingiesuati aus Florenz gekauft, und diese Mönche verlangen gesalzene Preise.«
    Geschmeichelt nahm er einen Tiegel mit bereits eingesumpfter Farbe und einen mit dem Farbpulver zur Hand. Fast liebevoll hielt er die Tiegel ins Licht. »Es gibt viele geheime Rezepte für die Herstellung von Azurium ultramarinum. Ich habe Cennino Cenninis Traktat dazu gelesen, und darin beschreibt er die Herstellung in über vierzig Schritten. Aber …« Er hob den Zeigefinger. »Ich werde das Wesentliche für dich zusammenfassen. Am Anfang hast du einen, sagen wir, walnussgroßen Lazurstein, den du erhitzt und dann sofort in Essig wirfst. Dadurch lösen sich die Unreinheiten.«
    »Wirklich in Essig? Wird das Blau dadurch nicht zerstört?«
    Matteo verdrehte die Augen. »Es würde ja wohl niemand so einen teuren Stein in Essig werfen, wenn die Farbe dann dahin wäre … Also, so ein Stein kann wochenlang in Essig liegen, ohne dass das Blau sehr darunter leidet. Nach dieser Behandlung zerkleinere ich das Stück auf einem Reibstein so weit, wie es mir möglich ist, und verknete das anschließend mit dem pastello .« Er zeigte ihr eine Kugel des speziellen Kitts.
    Sie befühlte die Textur der knetbaren Masse und schnupperte daran. »Was ist drin? Leinöl, Wachs, Terpentin und?«
    »Kolophonium und weißes Pech, aber der Rest ist mein Geheimnis. Das Lazursteinpulver wird über den erhitzten pastello gesiebt, bis sich alles vollständig gemischt hat, und danach lässt man die Masse zwei Wochen unter Wasser stehen. Die meiste Arbeit macht es, die Masse in immer neuem Wasser stundenlang zu kneten, wobei die Farbe sich herauslöst.«

    »Ah, die Unreinheiten bleiben im pastello, und das blaue Wasser ist der Reingewinn.«
    »Matteo! Komm her! Ich finde den roten Ocker nicht!«, rief Meister Rosso von oben.
    Sofort sprang Matteo auf, drückte aber vorher Luisa die Tiegel in die Hand. Mit noch größerer Bewunderung für den kostbaren reinen Blauton betrachtete sie nun das Pulver, das in der Sonne wie das Meer schimmerte. Kein Wunder, dass Azzurro oltramarino als die edelste Farbe galt und dem Gold gleichgesetzt wurde. Und es wunderte sie auch nicht, dass Albin davon gestohlen hatte. Dass der schmächtige Junge der Mörder des untersetzten Niederländers gewesen sein sollte, fand sie hingegen immer noch fragwürdig, aber unter der Folter hätte er wahrscheinlich jeden Mord gestanden, wenn ihm das nur weitere Qualen ersparte.
    Eine Weile half sie Matteo noch beim Säubern von Pinseln und Spachteln. Jetzt war eine ungünstige Zeit, Rosso zu fragen, was sie als Nächstes tun durfte. Also ging sie hinüber in die königlichen Gemächer und begutachtete die fertigen Stuckarbeiten am Kamin des kleinen Salons und ihre Kybele mit dem Löwen und der sich verwandelnden Atalanta. Primaticcio hatte zuerst nur die Gussformen gesehen und gemeint, dass die Vielteiligkeit das Gießen unmöglich machen würde, aber sie hatte ihn eines Besseren belehrt. Sie kratzte sich unter der Kappe am Kopf und fand, dass Atalantas leidender Ausdruck sich im Gesicht und in den verrenkten Gliedern zeigte. Das war immer das Entscheidende, dachte sie, die Bewegung der Körper. Allzu elegante Posen brachten Starrheit. In Rossos Kreuzabnahme in Volterra hatte sie das zum ersten Mal begriffen.
    Die Kirchenglocken hatten bereits zur Sext geläutet, das Abendessen in der Schlossküche war vorüber, und Luisa saß in ihrem Zimmer auf dem Bett und schnitt sich dünne
Stücke von einem trockenen Weidenzweig ab. Die Holzstücke waren nicht länger als ihr Handballen und dünner als ihr kleiner Finger. Sie spitzte jedes der Holzstäbchen an einem Ende an und bündelte je fünf Stäbchen, indem sie die Päckchen oben

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