Die Malerin von Fontainebleau
lachte. »Da sprichst du ein wahres Wort.« Bevor sie vollends ins Philosophieren gerieten, wurden sie von einem Diener unterbrochen, der mit einem Tablett hereinkam.
»Brot und Bier!« Freudestrahlend goss Matteo sich einen Becher ein, brachte aber zuerst einen zu Rosso auf das Gerüst.
Luisa nahm ihren Becher und ein Stück vom Dinkelbrot, das noch warm war, und ging in das königliche Kabinett, wo sie sich in die Fensternische kauerte, um endlich Armidos Brief in aller Ruhe zu lesen.
Armido beschrieb seine Reise nach Lyon und die Rückkehr in den überfallenen Weiler. Welch ein Grauen! Und sie bewunderte Suzanne und deren Mut bei der Amputation von Jules’ Unterarm. Allein die Vorstellung bereitete Luisa Übelkeit. Doch Wunden heilten. Weitaus schlimmer war Armidos Bericht über den unnachgiebigen Erzbischof.
…. Martin Dufy ist ein echter Freund geworden. In all diesem Unglück hat das Schicksal uns diesen guten Mann zur Seite gestellt . Er hat mir auch versprochen, diesen Brief einem Kurier mitzugeben, der auf dem Weg nach Paris ist. Wenn du den Brief also erhältst, dann ist das Dufy zu verdanken. Außerdem ist er für mich nach Embrun gegangen, um die Lage zu erkunden. Ich hatte ein Schreiben an den Bischof aufgesetzt, in dem ich das Geld aus Lyon für die Freilassung von Sidrac, Aleyd und Isabeau anbot. Martin hat den Brief durch einen Burschen übergeben lassen, um nicht selbst in Verdacht zu geraten.
Luisa, meine ganze Hoffnung lag in dem Schreiben, doch
allein die Anwesenheit von Sampieri hätte mich eines Besseren belehren sollen. Der Erzbischof hat eine Freilassung rundheraus abgelehnt. Mit dem Geld könnte ich ihnen Erleichterung im Kerker verschaffen, ließ er mich wissen, mehr nicht. Sidrac und Isabeau sollen zu Pfingsten auf dem Scheiterhaufen brennen. Aleyd, die jetzt im siebten Monat unser Kind unter dem Herzen trägt, soll erst gebären dürfen, bevor man sie verbrennt. Gott steh mir bei! Ich habe noch nie so sehr gehasst, wie ich den Erzbischof, Sampieri und Guy de Mallêt hasse. Gott vergebe mir! Wenn ich einen von ihnen in meine Hände bekäme, er wäre des Todes.
Dufy war nicht selbst im Kerker, um sie zu sehen, doch man hat ihm gesagt, dass sie Aleyd nicht der peinlichen Befragung unterzogen haben. Dafür haben die teuflischen Schergen ihr barbarisches Ritual an Isabeau vollzogen, der es schlecht geht. Sidrac ist kräftiger und hält sich besser. Von dem anderen Glaubensbruder weiß ich nur, dass er sich weigert, einen Eid zu schwören.
Sorellina , vergib mir, wenn ich dich in Schwierigkeiten bringe, aber du bist die Einzige, die mir jetzt noch helfen kann. Jules hat mich Briefe an Marot und Madame d’Étampes schreiben lassen, aber ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis sie helfen, wenn sie es überhaupt vermögen. Aber du stehst dich gut mit Meister Rosso, der vom König verehrt wird. Sorellina , ich bitte dich, nein, ich flehe dich an, uns zu helfen! Eine Nachricht kannst du mir zukommen lassen, indem du den Brief an das Hospital der Heiligen Cäcilie in Chorges zu Händen Martin Dufys sendest. Wir müssen uns verstecken, und obwohl ich nicht glaube, dass man eine Nachricht an Meister Rosso abfangen wird, verschweige ich unser Versteck.
Dein verzweifelter Bruder
Durch das geöffnete Fenster drangen die Geräusche des täglichen Lebens vom Hof herein. Ein Müller wollte seine Mehlsäcke an den Mann bringen, und ein Barbier bot seine Dienste an. Klopfen, Hämmern und laute Flüche begleiteten die Versuche des Wagners beim Reparieren eines Wagens mit geschlossener Kabine. Luisa erinnerte sich noch gut an die unbequeme Fahrt in einem solchen Gefährt auf ihrem Weg von Siena hinauf in den Norden. Ihre abenteuerliche Reise, Siena, ihre Familie, das alles schien so weit zurückzuliegen. Sie faltete den Brief und steckte ihn in ihren Gürtel. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass Armido einmal ihrer Hilfe bedürfen würde. Immer war es umgekehrt gewesen.
Seufzend erhob sie sich und betrachtete die Wand über dem Kamin. Der leere Platz im Stuckrahmen wartete noch auf sein Bildnis. In vielen Nächten hatte sie an der Semele gearbeitet und war nie zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen, bis sie durch Zufall eine junge Magd beim Füttern der Enten am Teich beobachtet hatte. Das eigenwillige Gesicht der jungen Frau, die geschürzten Lippen und ihre melancholischen blauen Augen hatten sie seither nicht mehr losgelassen. Nach weiteren Vorzeichnungen war sie endlich so weit,
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