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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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nachkommen.
    Francesco Primaticcio kam hinter einer Leiter hervor und stellte sich mit vor der Brust verschränkten Armen neben die hohe Fensteröffnung. Der Meister war einen halben Kopf kleiner als Armido, hatte große, leicht vorquellende Augen und eine breite Nase. Mit dreiunddreißig Jahren war er zehn Jahre jünger als Rosso Fiorentino, doch wirkte er durch seine schwerfälligeren Gesten fast genauso alt wie der unumstrittene peintre ordinaire du Roi von Fontainebleau.
    Armido arbeitete lieber für Rosso, aber natürlich würde er das Primaticcio niemals wissen lassen, denn ihm hatte er es zu verdanken, überhaupt hier zu sein. Primaticcio war forsch und launenhaft. Rosso dagegen blieb stets aufgeräumt und zu einer Plauderei aufgelegt, besonders, wenn es um
mythologische Themen ging. Selbstverständlich war Rosso exzentrisch und von der Unübertrefflichkeit seiner Kunst überzeugt, aber welcher große Künstler war das nicht? Entscheidend war, dass Rosso ständig neue Ideen entwickelte und zu Experimenten bereit war, während Primaticcio sich lieber an Bewährtes hielt.
    »Ja, Meister?« Armido ließ Josette stehen und trat in den Raum, in dem sich sechs kräftige Gesellen mit dem Kaminvorbau abmühten.
    »Was sagst du dazu?« Die düstere Miene Primaticcios verhieß nichts Gutes.
    Armido betrachtete den Kaminvorbau, den die Gesellen vor die Wandöffnung geschoben hatten. An den Kanten kauerten aus Stuck gefertigte Sphinxen, die mit anderen ägyptisierenden Motiven korrespondierten. »Die Sphinxen sind einzigartig, und wenn Ihr mich fragt, gibt es nichts Vergleichbares in Frankreich.«
    Primaticcio schnaubte. »Sie sind nach Rossos Entwürfen gefertigt, dabei war das Einfügen ägyptischer Motive meine Idee! Meine!«
    Im Palazzo del Te in Mantua hatte Primaticcio in den Fresken viel mit Hieroglyphen gearbeitet, weshalb Armido davon ausgegangen war, dass auch dieser Kamin nach Primaticcios Entwürfen entstanden war. Letztendlich hatte aber immer Rosso zu entscheiden, was in Fontainebleau realisiert wurde. Der König hatte ihm die alleinige Entscheidungsvollmacht erteilt, ein Recht, von dem der Meister ausgiebig Gebrauch machte. »Aber alles andere stammt von Euch, da fallen die Sphinxen kaum ins Gewicht. Die gesamte Raumkonzeption habt Ihr entworfen!«, suchte er den aufgebrachten Primaticcio zu beruhigen.
    »Was nutzt es, wenn alle nur auf diese verdammten Sphinxen starren! Ach, geh schon! Du arbeitest jetzt auch
für ihn, dabei habe ich dein Talent erkannt und dich gerufen. Aber ewig wird das nicht so weitergehen, Rosso …« Plötzlich drehte er den Kopf zum Fenster. »Wenn man vom Teufel spricht …«
    Hufgetrappel erklang, und Armido hörte Rossos melodische Stimme im Hof vor der Galerie. »Francesco, befiehl allen, in die Galerie zu kommen. Ich sehe mir noch kurz die Bauarbeiten am Pavillon an …« Damit entfernte sich die Stimme des peintre ordinaire du Roi , und Armido hob in gespielter Verzweiflung die Hände. »Ihr habt es gehört, wir sind zum Appell gebeten worden.«
    »Gebeten? Du machst Witze. Befohlen hat er uns!« In Primaticcios Gesicht spiegelten sich Widerwille und Ärger, und Armido nutzte die Gelegenheit, den missgelaunten Künstler zu verlassen.
    Josette zupfte ungeduldig an ihren Röcken. »Jetzt komm schon, oder willst du, dass sie deinen feinen Freund entdecken und einer Befragung unterziehen?«
    Armido zögerte nur einen Moment. »Wo ist er?«
    »Im Dianengarten, am Uhrenturm.«
    »Josette, ich bitte dich, geh zu Monsieur Pellegrino und sag ihm, dass ich sofort bei ihnen bin. Du bist ein kluges Mädchen, dir fällt schon etwas ein.«
    Ein Page stellte sich mit gewichtiger Miene im Flur auf und rief mit lauter, näselnder Stimme: »Der Erste Künstler Seiner königlichen Majestät wünscht jeden, der an der Galerie arbeitet, daselbst zu sehen.«
    Armido verschloss Josettes Mund, der sich protestierend öffnen wollte, mit einem Kuss, gab ihr einen freundlichen Klaps auf den Hintern und eilte davon. Ohne auf die Stukkadore, Tischler, Steinmetze und Maler zu achten, die von Gerüsten herunterkletterten oder sich den Staub aus den Hemden klopfend ihre Werkbänke verließen, eilte er durch
die Zimmerfluchten des Untergeschosses. Das Schloss war um einen Hof herum angelegt. Die Gemächer des Königs lagen im alten Donjon, der an die Galerie grenzte, auf einer Seite gefolgt von den Räumen der Königin und der königlichen Kinder und auf der anderen Seite von Loggien, dem Uhrenturm, dem

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