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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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drohten. »Habt ihr ein Dokument, das Euch ausweist?«
    »Bitte, Monsieur.« Luisa reichte ihm Rossos Schreiben. Während der Mann las, ließ sie den Blick über den weitläufigen Burghof gleiten, in dem Gardisten mit wachsamen Blicken auf- und abgingen. Gruppen von plaudernden Höflingen und Hofdamen, Vertreter des Klerus, livrierte Diener, Pagen, Stallknechte und Küchenpersonal, das sich mit angelieferten Waren abmühte, Pferde, Maultiere, Hunde, Schweine und Federvieh liefen durcheinander. Die Wirtschaftsgebäude gegenüber dem Palas waren aus Holz. Dort befanden sich auch die Lagerräume für Öl, Waffen, Pech und Bauholz, wie die offen stehenden Türen verrieten. Auf dem Wehrgang der Burg standen Armbrustschützen und Arkebusiere. Die ganze Anlage machte den Eindruck, als befände sie sich im Kriegszustand, was in gewisser Weise auch zutraf. König Franz fühlte sich von Karls Kriegsschiffen bedroht, und es war erst wenige Monate her, dass die verfeindeten Herrscher einen Waffenstillstand auf Zeit geschlossen hatten.
    Mit abfälliger Miene gab der Hausmarschall Luisa das Dokument zurück. »Kuriere, dachte ich’s mir doch. Seine Majestät gibt zurzeit keine Audienzen. Aber niemand hindert euch daran, vor der Burg zu warten. Vielleicht findet ihr in einem der Zelte Unterschlupf.« Er winkte einer Wache, die eine gewaltige Hellebarde trug. »Diese zwei haben hier drinnen nichts zu suchen.«
    »Nein! So lassen wir uns nicht abspeisen! Wenn Seine Majestät erfährt, wie Ihr seine Künstler behandelt, werdet Ihr schon sehen, was Ihr davon habt.« Doch ihr Schimpfen war
zwecklos, der Wachmann stellte sich einfach vor sie und versperrte ihnen den Weg zum Hof, während sich der Hausmarschall bereits einer herrschaftlichen Karosse zuwandte, die eben einfuhr.
    Luisa hielt ihr Pferd am Zügel und sah sich verzweifelt nach einem bekannten Gesicht um. Tatsächlich kam ihr unter den Höflingen eine Dame bekannt vor, und als sich die schlanke Frau mit der roten Lockenpracht umdrehte, erkannte sie Élodie de Tavannes.
    »Entweder Ihr unternehmt jetzt etwas, oder alles war umsonst. Denkt daran, Euch bleibt kaum Zeit!«, sagte Gé rard leise. »Kennt Ihr denn niemanden von denen dort vorn?«
    »Doch, aber genau die Falschen.« Madame de Tavannes stand neben einem Mann in schillernder Hoftracht, von dem Luisa hoffte, dass er sie nicht bemerkte, denn von Jean de Mallêt war gewiss keine Hilfe zu erwarten.
    Ihre Pferde begannen unruhig zu tänzeln, denn der Wachmann stieß sie immer wieder bedrohlich mit dem stumpfen Ende seiner Hellebarde an. Da endlich stieg Luisas Mut, denn der vertraute Anblick eines grauen Spitzbarts erschien unter einem Balkon. Sie winkte und rief: »Signor Giustiniani! Signore!«
    Der venezianische Botschafter hob den Kopf und suchte nach der Quelle der Rufe. Als er sie erblickte, erhellte sich seine Miene. »Signor Luca!« Er schien ihre ungemütliche Situation zu erkennen, denn nachdem er sich an einem Maultier und mehreren Pagen vorbeigezwängt hatte, kam er mit ausgebreiteten Armen auf sie zu und überschüttete sie mit einem Wortschwall in Italienisch. »Welche Freude! Landsleute, vertraute Gesichter!« Er stutzte. »Wo ist Euer Bruder? Wie seht Ihr aus?«
    Luisa seufzte. »Das ist eine lange Geschichte. Signore, ich muss Seiner Majestät diesen Entwurf von Meister Rosso persönlich
geben!« Sie zeigte auf Gérard. »Lasst uns Französisch sprechen. Gérard, darf ich dir Signor Giustiniani vorstellen, den Botschafter Venedigs?«
    Gérard neigte höflich den Kopf. »Angenehm, aber ich glaube, wir haben ein dringendes Problem.«
    Der Wachmann hörte nicht auf, sie zu bedrängen. »Schluss jetzt. Hinaus mit euch!«, sagte er barsch.
    »Ah, lasst mich das machen. Maresciallo !«, herrschte der Botschafter den einige Schritte von ihnen entfernten Hausmarschall an, der sich verdutzt umdrehte. »Zu mir, sofort!«
    Mit rotem Kopf kam der gewichtige Mann zu ihnen. »Monsieur, auch wenn es sich um Landsleute von Euch handelt, kann ich nicht jeden …«
    »Ihr könnt, denn dieser junge Mann ist der Meisterschüler des großen Meisters Rosso Fiorentino. Er hat die lange Reise von Fontainebleau hierher auf sich genommen, weil Seine Majestät auf dieses Kunstwerk wartet, und Ihr wagt es, ihn abzuweisen? Außerdem ist Monsieur Paserini ein persönlicher Freund von mir und Madame d’Étampes.«
    Vor allem die letzten Worte schienen tiefen Eindruck auf den Hausmarschall zu machen, der sich mehrfach verneigte, sich die

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