Die Malerin von Fontainebleau
offenen Eingang zu.
Giustiniani und der Diener eilten ihr nach.
»Euer Bruder ist ein Ketzer!«, rief der Comte von hinten.
Die Stille, die diesem Ausruf folgte, war weitaus bedrohlicher als jedes Gemurmel, doch der Botschafter legte ihr die Hand auf den Rücken und schob sie durch die Türen. »Nicht antworten, Luca«, flüsterte er. »Er will Euch fordern. Ihr könnt kein Duell mit ihm ausfechten. Das wäre Euer sicherer Tod. Weitergehen!«
Zitternd ging sie in die Halle, deren Wände mit Waffen und einer Tapisserie geschmückt waren. Der Diener schob sich an ihr vorbei und ging die gewundene Treppe hinauf. »Hier entlang, Messieurs.«
Sie packte die Rolle fester und stieg hinter dem Diener die Treppe hinauf. Der Botschafter folgte ihr schweigend. Ihr Quartier entpuppte sich als winzige Kammer mit einem Strohsack und einem schmalen Fenster. In solchen Kammern brachte man für gewöhnlich die Dienerschaft unter. »Bring uns einen zweiten Strohsack!«, sagte sie zu dem Diener, der sie unverhohlen musterte.
»Gewiss, Monsieur.« Er verneigte sich und zog die Tür beim Gehen hinter sich zu.
Luisa warf den Riegel vor und atmete hörbar aus. »Dieser verfluchte …«
Giustiniani stellte sich ans Fenster und sah in den Zwinger hinunter. Der schmale Geländestreifen trennte die Kernburg von der Außenmauer. Von unten klangen Geräusche von aufeinanderschlagenden Degen herauf. Pagen und Edelmänner übten sich in der Waffenkunst. »Was um Himmels willen habt Ihr mit dem Comte zu schaffen? Ausgerechnet mit diesem für seine hinterhältigen Intrigen bekannten Mann?«
»Oh, Signor Giustiniani!« Sie nahm das Barett ab und rieb sich das Gesicht. In den Augenwinkeln hatte sich Staub gesammelt. Nicht einmal eine Wasserschüssel stand in der kargen Kammer. »Ihr habt keine Vorstellung davon, in welch ernsthaften Schwierigkeiten mein Bruder steckt!«
»Ich beginne es zu ahnen. Wollt Ihr mich einweihen? Vielleicht kann ich Euch helfen?« In seiner eleganten Hoftracht wirkte der grauhaarige Botschafter älter als bei ihrem letzten Treffen. Seine dunklen Augen drückten echtes Mitgefühl aus.
Doch Luisa bezweifelte, dass er ihr helfen konnte, da die Position eines ausländischen Botschafters am königlichen Hof ohnehin schwierig war. »Ich danke Euch, Signore, aber ich möchte Euch nicht unnötig in Bedrängnis bringen. Nur so viel: Armido muss sich verstecken, weil er eine Protestantin geehelicht und selbst ihren Glauben angenommen hat.«
»Aber …«
»Nein, wartet! Seine Frau gehört zu einer Gruppe, die sie Vaudois nennen. Und diese Leute werden in Frankreich und Italien als Ketzer verfolgt.« Sie senkte die Stimme und blickte zur Tür, vor der sie Schritte vernommen hatte. »Habt Ihr von den jüngsten Vorfällen in Embrun gehört?«
Erschrocken faltete er die Hände. »Mir ist das Treiben eines unbarmherzigen Inquisitors Hand in Hand mit dem
Erzbischof in Embrun zu Ohren gekommen. Und darin ist Armido verwickelt? Das ist schlimm, wirklich schlimm …«
»Wisst Ihr noch mehr?«
»Nicht über Embrun, aber über die päpstliche Politik in Bezug auf das Ketzerproblem.« Er verzog den Mund. »Was sind Ketzer? Leute, die nicht an die heilige römische Kirche glauben. Darf man zweifeln? Nicht dieser Tage. Mir kam zu Ohren, dass Papst Paul die Kirche von Grund auf reformieren will, allerdings nicht, um die neuen Strömungen aufzufangen. Nein, er steuert hart gegen den protestantischen Wind aus dem Norden und denkt, dass sich das neue Gedankengut wieder ausrotten lässt.« Giustiniani wiegte den Kopf. »Das wird nicht gelingen. Aber der Kampf wird blutig werden, und ich befürchte finstere Zeiten für die kommenden Generationen. Der Papst plant, Kardinal Carafa zum Generalinquisitor zu ernennen.«
Unter dem Straßenstaub erblasste Luisa. Schon jetzt war Carafa als unerbittlicher Ketzerverfolger berüchtigt. Mit ausgeweiteten Machtbefugnissen wären die Folgen für Italien verheerend. Sie begann zu verstehen, was Giustiniani andeutete.
»Die Zeichen stehen denkbar schlecht für reformistisches Gedankengut. Paul III. ist hier in Nizza, um mit Kaiser Karl und Franz eine Allianz gegen die Osmanen zu gründen. Und obwohl es geheim sein sollte, weiß inzwischen jeder, dass der französische König Karl so sehr hasst, dass er sich mit Suleiman verbündet hat, um sich endlich sein Stück Italien zu holen.« Der Venezianer seufzte. »Ich schätze den König sehr. Er ist ein gebildeter Mann, eloquent, großzügig und ritterlich.
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