Die Malerin von Fontainebleau
abbeißen, als das öffentlich zuzugeben, versteht Ihr mich?«
Sie biss die Zähne zusammen. Giustiniani meinte es gut mit ihr, und er hatte recht. »Aber ich musste es versuchen. Armido ist mein Bruder«, sagte sie leise.
»Ich weiß.« Mit väterlicher Fürsorge drückte der Venezianer ihre Schulter und winkte einem Diener, der ein Tablett mit Weinkelchen trug. »Hier, trinkt das.« Er reichte ihr einen goldenen Kelch, der mit Rotwein gefüllt war.
Sie probierte und war überrascht. »Der ist gut! Besser als das, was sie uns in Fontainebleau kredenzen.« Abgesehen von dem Wein, den sie bei Rosso getrunken hatte, aber das musste Giustiniani nicht wissen.
»Hier unten im Süden ist vieles anders und fast wie in Italien. Aber nur fast …« Giustiniani lächelte und trank einen großen Schluck. »Oh, seht doch! Cartier hat Wilde von seiner Reise mitgebracht! Wie aufregend exotisch sie aussehen!« Er reckte den Kopf, und auch Luisa wagte sich hinter dem Vogelkäfig hervor, um einen Blick auf die Fremden zu erhaschen.
Drei Männer mit kupferfarbener Haut und buntem Federschmuck standen vor dem König. Ihre Haltung war stolz, und es hätte Luisa nicht gewundert, wenn einer von ihnen selbst ein König in seiner Heimat war. Die adligen Damen tuschelten aufgeregt und zeigten auf die ebenmäßigen Muskeln der Wilden. Nur Katharina schenkte dem keine Aufmerksamkeit, sondern erhob sich, wechselte einige Worte mit dem König, nickte ihrem Gatten zu und entfernte sich mit ihren Hofdamen. Luisa bewunderte die Würde und Eleganz, mit der Katharina sich bewegte. Ihre herbe Schönheit verblasste neben den ebenmäßigen Zügen von Diane de Poitiers, doch die Italienerin strahlte Kraft und Intelligenz aus. So sah keine Verliererin aus.
»Wo ist Madame d’Étampes?«, fragte sie den Botschafter.
»Sie hat sich schon zeitig mit der Königin zurückgezogen. Die beiden verstehen sich gut und planen einen Besuch bei Seiner Heiligkeit, schließlich ist Eleonore die Schwester des Kaisers.«
»Begleitet denn Franz seine Frau nicht?«
»Wo denkt Ihr hin! Zu den Verhandlungen in vier Tagen schickt er Montmorency und den Kardinal von Lothringen, und Karl lässt sich durch Los Covos und Kanzler Granvelle
vertreten. Aber ich glaube, der Papst setzt größere Hoffnungen auf die Diplomatie der Frauen. Neben Madame d’Étampes werden die Duchesse von Vendôme, Katharina de Medici und Franz’ Schwester Marguerite von Navarre Königin Eleonore auf dem Schiff nach Nizza begleiten.«
»Mit dem Schiff? Was für ein Aufwand!«, wunderte sich Luisa.
»Aber welch ein Schauspiel wird das im Hafen von Nizza geben! Und soweit ich weiß, wird der Papst sechsundzwanzig Kardinäle als Empfangskomitee schicken. Daran seht Ihr, dass er sich viel von der Begegnung mit den Damen verspricht.«
Sie verfielen in freundschaftliches Schweigen, schauten dem bunten Treiben im Saal zu, lauschten der Musik und sprachen Wein und kandierten Früchten zu, die gereicht wurden. Luisa fühlte sich zunehmend unwohl, immer wieder meinte sie, Mallêts verschlagenen Blick auf sich zu spüren.
»Signor Giustiniani, ich möchte mich zurückziehen. Bringt Ihr mich zur Tür?«
»Natürlich. Beherzigt meinen Rat und verlasst Château Villeneuve gleich bei Sonnenaufgang.« Er geleitete sie zum Ausgang.
Während sie sich zwischen den Gästen und Dienern hindurchdrängten, konnte sich Luisa des Gefühls nicht erwehren, dass sich Mallêts Blicke in ihren Rücken bohrten.
Die Gardisten ließen sie in den Korridor hinaus, und Giustiniani drückte ihr die Hand. »Es tut mir leid, dass Ihr nicht mehr erreichen konntet. Sollte sich noch eine Gelegenheit ergeben, das Thema anzusprechen, werde ich es versuchen.« Der grauhaarige Botschafter lächelte schief. »Allerdings sind Botschafter, die es sich mit einer Partei bei Hofe verscherzt haben, schon aus geringfügigeren Anlässen ihres Kopfes verlustig gegangen …«
»Ihr habt mehr als genug für mich getan. Und man wird
mich schon nicht sofort beseitigen. Das wäre doch zu auffällig.« Sie bemühte sich um einen scherzhaften Ton, konnte ihre Anspannung aber kaum verbergen.
»Gehabt Euch wohl, mein junger Freund.« Giustiniani küsste sie nach italienischer Manier auf die Wangen und ging wieder in den Saal.
Die leere Hülle unter dem Arm, schritt Luisa den Korridor im flackernden Licht der Lampen zur Treppe entlang. Durch kleine Öffnungen in der Wand strömte kühle Abendluft herein, und sie hörte den Löwen im Zwinger
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