Die Malerin von Fontainebleau
konnte gut verstehen, wie dieser Mann mit seinem Charme nicht nur die Frauen an seinem Hof für sich einnahm. Unwillkürlich warf sie einen Blick auf die Seigneurs, denen sie die Aufmerksamkeit des Monarchen gestohlen hatte. Der Duc de Villeneuve, ein attraktiver Mann mit dunklem Spitzbart, unterhielt sich mit dem Baron Saint-Blancard, dessen breite Schultern und militärisches Gebaren auf einen hohen Rang als Feldherr schließen ließen. Montmorency und Mallêt warfen sich düstere Blicke zu, und Luisa stotterte: »Sire, Ihr seid zu gütig. Verzeiht, dass ich es wage, aber ich möchte Euch um eine Gunst bitten. Es geht um meinen Bruder.«
Schlagartig verschwand der freundliche Ausdruck aus Franz’ Augen. Im Hintergrund kündeten Geraschel und laute Stimmen von neuen Gästen. Und als der Zeremonienmeister seinen Stab zu Boden fahren ließ, war Luisas Zeit vorüber.
»O Majestät, bitte!« Sie fiel auf die Knie und faltete die Hände. »In Embrun geschehen furchtbare Dinge. Der Erzbischof und ein Inquisitor verurteilen Unschuldige und wollen sie zu Pfingsten auf den Scheiterhaufen bringen!«
»Genug!«, donnerte plötzlich die Stimme des Connétable, und Luisa erzitterte. »Wachen, bringt diesen unverschämten ausländischen Schmarotzer fort, der es wagt, Seine Majestät zu beleidigen!«
»Eccellenza!«, flehte Luisa Katharina auf Italienisch an und erklärte ihr in einem Wortschwall, was Armido und seiner Frau drohte.
Als zwei der schottischen Leibgardisten sie vom Fußboden reißen wollten, hob Franz I. seine Hand. »Das ist nicht nötig. Ich danke Euch für die Zeichnung von Meister Rosso. Doch politische Angelegenheiten erörtere ich nur während meiner Audienzen. Embrun, sagt Ihr …« Er überlegte und sah über ihren Kopf hinweg zu den neugierig gaffenden Gästen. »Exzellenz!«, rief er plötzlich, und zu Luisas unsäglichem Schrecken kam Kardinal Tournon zu ihnen.
»Sire, wir wären schon früher hier gewesen, aber unser Wagen hatte einen Achsenbruch«, sagte der Kardinal mit schmeichlerischer Stimme.
»Was wisst Ihr über die Vorgänge in Embrun? Ist das nicht ein Erzbistum?«, fragte der König.
Der Kardinal räusperte sich. »Ja, Embrun … Antoine de Lévis de Château-Morand ist dort Erzbischof. Guy, kommt doch einmal zu uns!«, bat der Kardinal seinen Sekretär, der sofort herbeieilte.
Luisa blieb mit gesenktem Blick in kniender Stellung. Sie zitterte.
Eifrig erklärte Guy de Mallêt: »Es scheint ganz so, als hätte der Erzbischof ein Nest von Ketzern in der Nähe von Embrun aufgestöbert. Monsignor Sampieri steht ihm als Inquisitor bei der Beseitigung des Problems bei. Es sollte dort bald wieder Ruhe einkehren.«
»Ketzer? Ist Euer Bruder etwa ein Ketzer, Luca?«, wandte sich Franz an sie und sah Luisa ernst an.
Ohne zu überlegen schüttelte sie den Kopf. »Aber nein, Sire!«
Mallêt protestierte: »Dieser Bursche lügt! Ich habe Beweise …«
»Danke, Messieurs«, unterbrach der König den Sekretär und entließ alle mit einem Kopfnicken.
Luisa erhob sich und wollte den Mund öffnen, aber eine
versteckte Geste von Katharina brachte sie zum Schweigen. Giustiniani zog hinten an ihrem Wams und zog sie außer Sichtweite des Königs und der Seigneurs. Hinter einem mannshohen Kandelaber und einem runden Käfig, in dem ein buntgefiederter Vogel hockte, blieb er stehen.
»Luca Paserini, Ihr seid entweder mutig oder verrückt! Wahrscheinlich beides!« Der Botschafter atmete tief ein und sah sich kurz um. Der Vogel plusterte sich auf und beäugte sie neugierig. Von den Gästen schien sie niemand weiter zu beachten, denn Tänzer waren aufgetreten, und ein Mann mit einem verwegenen Gesicht saß jetzt neben dem König. Dieser schien von den Erzählungen des neuen Gastes fasziniert.
»Jacques Cartier, ein großer Forscher! Er hat den Atlantik überquert und neues Land gefunden, das er Kanada genannt hat. In der Sprache der dortigen Ureinwohner heißt das ›Dorf‹.« Giustiniani legte Luca eine Hand auf die Schulter. »Ihr habt Glück, dass Cartier hier ist und den König ablenkt. Was denkt Ihr Euch nur? Männer wie der Kardinal oder der Connétable zögern nicht einen Moment, sich von unbequemen Quälgeistern zu befreien. Ihr solltet den Hof so schnell wie möglich verlassen. Ich habe weder die Mittel noch die Macht, Euch zu beschützen, so gern ich das auch täte.« Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Ich verabscheue den Kardinal und Montmorency, aber ich würde mir eher die Zunge
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