Die Malerin von Fontainebleau
verdächtig schienen. Vielleicht täusche ich mich, aber sie haben uns länger beobachtet, als normale Reisende es getan hätten.«
Sie befolgten Gérards Rat. Erst als die Sonne den Horizont berührte und ihre glühenden Strahlen die Berglandschaft in satte Rottöne tauchten, zügelte Gé rard sein Pferd.
»Chorges liegt jetzt hinter uns. Ich halte es für besser, wenn wir außerhalb von Ortschaften übernachten. Weniger Menschen bedeutet weniger neugierige Fragen.«
»Chorges!«, kam es plötzlich von Armido.
Seine Begleiter sahen ihn fragend an.
»Ich möchte im Hospital der heiligen Cäcilie eine Nachricht für Martin Dufy hinterlassen«, sagte er und machte Anstalten, sein Pferd zu wenden.
»Nein!«, riefen Gérard und Luisa wie aus einem Munde.
»Warum nicht?«
»Bitte, Armido, es könnte uns wirklich jemand gefolgt sein, und bald wird es dunkel. Dann haben wir auf der Straße keine Möglichkeit, uns zu verteidigen. Wir müssen durch ein Waldstück, um nach Chorges zu gelangen«, erklärte Gérard.
Armido runzelte die Stirn. »Das ist mir egal.«
»Aber sie könnten uns im Wald gefolgt sein und warten nur darauf, dass …«, weiter kam Gérard nicht, denn ohne auf die entsetzten Gesichter seiner Begleiter zu achten, gab Armido seinem Pferd die Sporen und preschte auf den Wald
zu, der unterhalb des Weges lag, auf dem sie die Ortschaft umgangen hatten.
Luisa und Gérard wechselten einen kurzen Blick und folgten ihm. Er war ihnen mehrere Pferdelängen voraus und erreichte den Wald, bevor sie ihn eingeholt hatten.
»Könnt Ihr mit einem Degen umgehen?« Gérard zog einen Degen, den er hinter seinem Sattel befestigt hatte, hervor und warf ihn Luisa zu. Dann zog er seinen eigenen Degen aus der Scheide.
Kaum hatte Luisa den Degen gepackt, als auch schon Schreie ertönten. »Armido!«, rief sie.
»Ich habe es doch gewusst!«, fluchte Gérard. »Bleibt hinter mir, Luca!« In gestrecktem Galopp jagte er sein Tier auf dem breiter werdenden Weg in den Mischwald, wo sie von Dämmerung umfangen wurden. Hatten draußen die Strahlen der Abendsonne noch die Kraft, Wege und Felder zu erhellen, so schränkten dichtes Blattwerk und hohe Tannen ihre Sicht erheblich ein.
Gérard stieß einen Schrei aus und schwang den Degen gegen plötzlich zwischen den Bäumen auftauchende Männer in dunklen Umhängen. Während er sich zwei der Meuchelmörder mit kräftigen Hieben vom Leib hielt, schrie Luisa nach ihrem Bruder.
»Armido!«
Das flirrende Spiel aus Licht und Schatten machte es schwierig, die Männer auf den Pferden zu unterscheiden, doch vor ihr zeichnete sich eine große Gestalt mit markantem Profil ab. Das war nicht ihr Bruder. Sie stieß ihrem Zelter die Sporen in die Seite, dass er einen Satz machte, und zog dem Mann in dem Umhang ihren Degen über den Rücken.
Überrascht drehte sich der Angegriffene um, hob seinerseits den Degen zum Hieb und hätte ihr den Schädel gespalten,
wenn nicht Armido plötzlich von hinten gekommen und dem Mann mit seinem ganzen Gewicht in den Schlagarm gefallen wäre. Er riss den Mörder mit sich auf den Waldboden, wo die Männer hin und her rollten.
Luisa musste ihren Blick von den Kämpfenden losreißen, denn ein weiterer Reiter kam von der Seite auf sie zu. Inzwischen hatte sich Gérard seines Gegners entledigt und eilte ihr zu Hilfe. Er stieß dem Angreifer seinen Degen in den Bauch, so dass jener zusammensackte und sich ins Dunkel schleppte.
»Gérard, dort!« Sie zeigte auf die am Boden Kämpfenden. Gérard drängte sein Pferd vor und zog dem oben liegenden Angreifer die Klinge über die Schulter.
Der Mann schrie auf, ließ von Armido ab und wollte sich aufrichten, wurde jedoch von Gérards Klinge empfangen, die ihm knirschend zwischen die Rippen fuhr und einen Schwall Blut aus seinem Mund spritzen ließ. Gérard zog seine Waffe zurück, und da bemächtigte sich eine unnatürliche Stille des blutigen Schauplatzes. Kein Vogel zwitscherte, nur in der Ferne waren Pferdehufe zu vernehmen, doch auch dieses Geräusch erstarb.
Luisa ließ ihre Waffe fallen, schwang das Bein über den Sattel und ließ sich von dem breiten Pferderücken gleiten. »Sind sie alle fort?«
Gérard atmete schwer aus. »Ja. Es waren drei, höchstens vier. Einer liegt hier, einen hat Euer Bruder erwischt, und zwei sind verwundet geflüchtet.« Er hielt den Degen weiter kampfbereit in der Hand und horchte lauernd in den Wald.
»Armido, sag doch was!«, schluchzte Luisa und kniete sich über ihren Bruder,
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