Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
sie sich auf die Knie warf und den Kopf in das kühle Wasser hielt. Ungeachtet des schlammigen Bodens und der Schlingpflanzen trank sie das Wasser in langen Zügen und legte sich erschöpft ins Gras. Es dauerte einige Zeit, aber schließlich entdeckte sie Armido, wie er sich langsam über den Weg auf sie zu schleppte. Rasch rappelte sie sich hoch und lief auf ihn zu, gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzufangen, denn er torkelte, war blass, und kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sie half ihm bis ans Ufer, wo er sich das Barett vom Kopf riss und einige Schlucke Wasser trank.

    »Der Totengräber hat nachgefragt. Sie liegt in einer Grube, die sie heute Morgen zugeschüttet haben. Nichts zu machen, da holen sie sie nicht heraus.« Er barg sein Gesicht in den Händen. »Ich habe gebetet. Mehr konnte ich nicht tun.«
    »Sie wäre froh, wenn sie wüsste, dass du lebst«, versuchte Luisa ihn zu trösten.
    »Ich hätte mein Leben für sie gegeben.«
    »Armido, komm, bitte. Wir müssen gehen!« Sie stand auf.
    »Wohin, Luisa?«, fragte er mit tonloser Stimme.
    »Zuerst suchen wir Gérard, der mich bis hierher begleitet hat. Er wartet mit den Pferden. Dann gehen wir nach Lyon. Robert Estienne und deine Freunde werden dir helfen, Armido.«
    »Ich will zu Jules und Suzanne.«
    »Doch nicht sofort. Du bist völlig erschöpft. Wir müssen hier weg. Ich habe ein ungutes Gefühl wegen des Erzbischofs und Sampieris.« Flehentlich sah sie ihn an und war froh, als er sich endlich erhob. Sie drückte ihm das Barett in die Hand.
    Gérard wartete ein gutes Wegstück flussabwärts auf sie. Als sie die vertraute Gestalt des Knechtes auf einem Felsbrocken am Fluss entdeckte, winkte sie kurz. Gérard erhob sich und kam auf sie zu.
    »Armido, es freut mich, Euch wohlbehalten zu sehen«, begrüßte er den vom König Begnadigten. Er war kein Mann, der unnütze Fragen stellte, und zeigte auf eine Baumgruppe. »Die Pferde warten dort. Ich habe von einem Kaufmann aus Arles günstig einen Zelter erstanden. Luca, wartet!«
    Gérard wühlte kurz in seinem Gepäck und warf ihr dann eine Weste und ein verschlissenes Barett zu. »Das solltet Ihr tragen.«
    Sie sah ihn prüfend an, zögerte kurz und folgte seinem Rat. Er war ein nicht zu unterschätzender Mann und ein
guter Freund. »Danke.« Zu ihrem Bruder sagte sie: »Du nimmst mein Pferd, Armido. Ein gemütlicher Zelter ist für mich genau richtig.« Sie lächelte ihn an, doch ihr Bruder reagierte nicht. »Danke, Gé rard.«
    Er sah sie fragend an, doch Luisa schüttelte den Kopf, und sie holten die Pferde. Gérard nahm ein Stück Brot und Wurst für jeden aus der Satteltasche. Sie aßen rasch und tranken stark verwässerten Wein aus einem Lederschlauch.
    »Wird es gehen, Armido?«, fragte Luisa.
    Armido setzte einen Fuß in den Steigbügel, als Gérard eine Hand auf den Sattel legte.
    »Zieht das Hemd aus, Armido. Hier, nehmt eines von meinen.« Er zerrte ein braunes Hemd aus seiner Satteltasche und warf es Armido zu, der es ohne Widerrede überzog. Sein weißes Hemd warf er in den Fluss, wo es sich einmal aufbauschte, um dann in den undurchsichtigen Fluten zu versinken.
    Es entging Luisa nicht, dass ihr Bruder das Gesicht schmerzhaft verzog, als er sich auf den Pferderücken schwang. Schweigend folgten sie dem Weg entlang der Durance. Es begegneten ihnen weit weniger Reisende als auf dem Hinweg. Die enge Straße, die gerade genügend Raum für ein Fuhrwerk oder zwei Pferde ließ, verlief die meiste Zeit parallel zu den an vielen Stellen reißenden Wassern der Durance. Der Duft von Kiefern und Tannen hing in der Luft. Gérard erzählte vom rötlichen Arvenholz der Zirbelkiefern, das als äußerst wertvoll galt und kostbaren Möbeln und Schnitzereien vorbehalten war. Die Hänge hinauf standen Silberdisteln und in größeren Höhen Enzian und der verwandte Génépi, aus dem Bergbewohner einen Kräuterlikör brauten. Überall, wo Wasser floss, grub es sich tief in das weiche kalkhaltige Gestein hinein und schuf die zerklüftete Gebirgswelt der Südalpen.

    An einer Weggabelung hielt Gérard an. »Wir sollten den Wald meiden und den kleinen Umweg in Kauf nehmen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass man uns verfolgt.«
    »Mir ist niemand aufgefallen«, meinte Luisa und blickte zurück, wo lediglich zwei Kinder mit einer Ziege liefen.
    Gérard tippte sich an die Nase. »Instinkt. Als wir das letzte Mal angehalten haben, um die Pferde trinken zu lassen, sind zwei Männer vorbeigeritten, die mir

Weitere Kostenlose Bücher