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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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war.
    »Langsam. Am besten, Ihr setzt Euch erst einmal und trinkt etwas Wasser mit Honig. Das hat der Medicus empfohlen. Wenn Ihr Appetit habt, könnt Ihr ein Stück trockenes Brot essen und später eine kräftige Brühe. Ich bin die Haushälterin hier und heiße Martine, Madame, und Ihr befindet Euch auf dem Landgut von Madame d’Étampes.«
    Als Luisa sie nur verständnislos ansah, ergänzte Martine: »Nicht weit von Gien. Unterhalb des Hauses fließt die Loire, der schönste Fluss Frankreichs!«
    Fassungslos ließ sich Luisa in einen der bequemen Sessel fallen, trank, aß ein Stückchen weiches Brot und lauschte den Worten der fürsorglichen Martine.
    »Ihr seid schon eine Woche hier und dem Tod nur knapp
entronnen. Ihr seid ja immer noch ganz blass und viel zu dünn, aber das ist ja kein Wunder. In den ersten Tagen habt Ihr Euch nur übergeben, und wir hatten Mühe, Euch überhaupt etwas einzuflößen. Aber der Medicus ist ein feiner Mann und hat sich alle Mühe mit Euch gegeben. In einigen Tagen kommt er wieder, um nach Euch zu sehen. Aber jetzt solltet Ihr ein schönes heißes Bad nehmen. Das belebt, und danach esst Ihr meine gute Brühe. Die hat noch jeden wieder auf die Beine gebracht.«
    »War Meister Rosso hier?«
    »Nein. Einen Mann dieses Namens habe ich hier noch nie gesehen. Der Medicus hat Euch im Wagen von Madame hergebracht. Ich lasse jetzt das Bad richten.« Martine ging zum Fenster. »Soll ich es schließen?«
    »Nein, die frische Luft tut mir gut.« Luisa sah teilnahmslos zu, wie Martine die Vorhänge richtete, das Bett glattstrich und den Raum durch die Tür verließ.
    Rosso hatte sie nicht hierhergebracht, sondern Remin geschickt. Stück für Stück kam die Erinnerung zurück. Der Wein und die Feigen auf dem Tablett, das der Bursche mit der deformierten Oberlippe gebracht hatte. Jemand hatte ihn bezahlt, dass man sie vergiftete. Welch ein Aufwand, warum hatte derjenige sie nicht einfach erstochen? Gelegenheit hätte sich doch reichlich geboten. Oft genug war sie allein auf dem Gerüst im Kabinett oder durch den Park spaziert. Es war vorbei! Rosso hatte sie fortbringen lassen. Aber die Semele war nicht fertig! Sie hatte noch kein Gesicht!
    In den nächsten Tagen aß sie mit zunehmendem Appetit, wobei sie ständig darüber nachgrübelte, was sie tun konnte, um nach Fontainebleau zurückzukehren. Von Martine erfuhr sie kaum etwas, denn die liebenswerte Frau wusste nichts. Sie kümmerte sich um das Haus und das leibliche Wohl der Patientin und war ihrer Herrin, der Geliebten
des Königs, offensichtlich sehr zugetan. Luisa sehnte die Ankunft des Arztes herbei, der ihr Neuigkeiten aus Fontainebleau bringen konnte. Bis dahin hatte sie Zeit, sich wieder an das Tragen von Frauenkleidung zu gewöhnen. Anfangs vermisste sie die Bequemlichkeit der Hosen, doch als ihre Wangen voller wurden und sie im Spiegel das vertraute Gesicht Luisas sah, wie sie es aus Siena kannte, rang sie sich ein schwaches Lächeln ab.
    Eines regnerischen Nachmittags hörte sie Pferdehufe auf der Straße, und kurz darauf erschien Michel Remin.
    Luisa hatte auf ihrem Bett geruht und in Rabelais’ Pantagruel gelesen, den Martine ihr aus Madame d’Étampes’ Bibliothek geholt hatte. Als Remin ins Zimmer trat, saß sie in ihrem Lieblingssessel am Fenster. Sie trug ein schlichtes ockerfarbenes Kleid, das Martine ihr aus der Garderobe ihrer Herrin gegeben hatte. Die hellen Augen des Arztes musterten sie aufmerksam, doch er schien zufrieden mit dem Fortschreiten ihrer Genesung. Er trug einen kurzen Bart, wie er Mode in Frankreich war, und ein schlichtes dunkles Wams über seinem weißen Hemd. Seine Bewegungen waren besonnen, alles an ihm strahlte Ruhe und Gelassenheit aus.
    Remin zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. »Es freut mich, Euch in so guter Verfassung vorzufinden, Luisa.« In seiner Sprache klang ihr Name weich und fremd.
    »Ich fühle mich gut, dank Eurer kundigen Pflege, wie ich gehört habe. Aber bitte, sagt mir, wann kann ich zurück nach Fontainebleau?«
    Michel Remin atmete hörbar ein, bevor er erklärte: »Ich werde offen zu Euch sein. Meister Rosso wünscht nicht, dass Ihr zurückkommt.«
    Sie schlug die Hände vor das Gesicht und brach in Tränen aus.

    »Bitte, hört mich an, Luisa, dann werdet Ihr verstehen.« Remin räusperte sich. »Dass Ihr noch lebt, habt Ihr Scibec de Carpi zu verdanken, der Euch gerade noch rechtzeitig gefunden hat. Scibec hat Meister Rosso benachrichtigt, und da ich

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