Die Malerin von Fontainebleau
gerade im Schloss war, konnte er mich um Hilfe bitten. Wäre nur ein wenig mehr Zeit verstrichen, hätte das Gift Euch getötet. Ich habe Euch zum Erbrechen gezwungen. Vielleicht erinnert Ihr Euch? Es tut mir leid, wenn ich Euch Schmerzen bereitet habe, aber anders konnte ich Euch nicht helfen. Das Gift musste den Körper verlassen.« Remin erhob sich und trat ans Fenster, an dem die Regentropfen herunterliefen.
»Der Regen ist gut für das trockene Land. Die Felder sind staubtrocken. Man sollte denken, es wäre nass genug, weil Frankreich so viele Flüsse und Sümpfe hat, doch auch die sind irgendwann ausgedörrt. Glücklicherweise war das Gift, mit dem man Euch töten wollte, mir nicht unbekannt. Der Wasserschierling ist in den meisten Sümpfen beheimatet. Eine unscheinbare Pflanze mit kleinen weißen Blüten. Doch seine Wirkung ist verheerend.«
» Ciguë aquatique «, sagte sie tonlos.
»Richtig. Nun, wer sich ein Gift beschaffen will, der wird immer einen Weg finden. Es gibt genügend Kräuterfrauen, die sich damit ihr Geld verdienen. Es dürfte Euch interessieren, dass der Junge, der Euch den Wein gebracht hat, ausgepeitscht wurde. Der Junge ist von einem Kammerdiener namens Didier dafür bezahlt worden, dass er Euch sagt, der Wein und die Früchte wären von Meister Rosso.«
»Didier. Das wundert mich nicht, obwohl ich ihn nicht für so bösartig gehalten hätte. Verschlagen und ein Dieb, aber nicht fähig, einen Menschen zu töten.« Nun sah sie den Diener in anderem Licht und fragte sich, ob nicht auch Armidos Verrat und sogar sein Tod auf dessen Spitzelei zurückgingen.
»Vier Tage nach Eurer Abreise ist er tot im Wald von Fontainebleau gefunden worden. Die Wölfe hatten sich bereits an ihm gütlich getan, so dass die Ursache seines Todes nicht festzustellen war, doch es ist wohl anzunehmen, dass sich sein Auftraggeber seiner entledigt hat. Ein Mitwisser weniger. Vielleicht wurde er auch zu gierig.« Remin zuckte die Schultern.
»Mein Gott … Das ist so entsetzlich …« Sie schüttelte den Kopf.
»Mit einem Mörder wie Didier solltet Ihr kein Mitleid haben. Aber ich verstehe, dass die Umstände Euch Angst machen. Und Ihr habt allen Grund, Euch zu fürchten, denn der wahre Mörder bleibt unerkannt.« Er drehte sich wieder zu ihr um und setzte sich auf seinen Stuhl. »Luisa. Versteht Ihr nun, warum Meister Rosso Euch nicht mehr nach Fontainebleau kommen lassen kann? Er fürchtet um Euer Leben, und er ist ehrlich besorgt um Euch. Ihr habt ihn nicht gesehen. Er hat die erste Nacht, in der wir nicht wussten, ob Ihr überhaupt überlebt, an Eurem Bett gewacht, und er hat dafür gesorgt, dass niemand zu Euch gelangen konnte.«
Sie hörte ihm ernst zu.
»Ihr habt es nur Rosso zu verdanken, dass niemand weiß, wer Luca ist. Scibec weiß es auch nicht. Nur Rosso und ich haben Euch gewaschen und behandelt.«
Beschämt senkte sie den Bick.
»Ich bin Arzt, Luisa. Es ist meine Aufgabe, Menschen zu heilen, und vor den Augen eines Arztes sind alle Kranken gleich.« Er lächelte. »Hört Ihr? Ihr dürft Rosso nicht gram sein. Er hat richtig entschieden, als er Euch hierherbringen ließ.«
Auch wenn ihr Verstand dem Arzt recht gab, war der Schmerz über Rossos Entscheidung, die ihm allem Anschein nach schwer gefallen war, kaum zu ertragen. »Aber er ist nicht hier. Hat er gesagt, wann er mich besucht?«
Remin lehnte sich zurück. »Er wird Euch nicht besuchen, Luisa, so leid es mir tut.«
Sie kämpfte gegen die Tränen und biss sich auf die Lippen.
»Wie ich es sehe, seid Ihr stabil genug, um zu reisen. Morgen wird Euch ein Wagen abholen und nach Italien bringen. Um die Finanzen müsst Ihr Euch nicht sorgen. Das ist geregelt.« Remin schwieg.
Alles war so plötzlich über sie hereingebrochen, dass sie das Geschehen noch nicht in seiner ganzen Tragweite begreifen konnte. Sie hatte sich nicht einmal von Rosso verabschieden können. Verzweifelt rang sie die Hände. »Monsieur …«
»Michel, bitte.«
»Michel. Meine Sachen und die meines Bruders?«
»Es ist bereits alles hier im Haus. Im Schloss haben wir verlauten lassen, dass Ihr einem schweren Fieber zum Opfer gefallen seid. Der Tod Eures Bruders und die Strapazen der vergangenen Monate waren zu viel. Durch diese kleine Lüge wird der Mörder in Sicherheit gewiegt, und Ihr könnt unbesorgt nach Siena zurückkehren. Luca gibt es nicht mehr, und nach Luisa wird niemand suchen.«
»Ja, das ist vernünftig.« Niemand wird nach Luisa suchen, dachte sie und
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