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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Vermutungen habe. Tatsache ist, dass du hier in höchster Gefahr bist, und ich hätte das früher erkennen müssen. Es ist reiner Zufall, dass Scibec nicht zu den Festlichkeiten in den Park gegangen ist, sondern nach oben ging, um sich auszuruhen. Er hat dich wirr reden hören. Was hast du gegessen oder getrunken und wo?«
    »In der Galerie dasselbe wie Matteo und dann erst wieder hier auf dem Zimmer. Den Wein und die Früchte, die du mir geschickt hattest.«
    »Ich habe dir nichts geschickt.« Er drehte sich um. »Auf dem Tisch steht nichts.«
    Sie schloss kurz die Augen und erinnerte sich. »Jemand war hier und hat alles wieder mitgenommen.«
    »Wer hat dir den Wein gebracht?«
    »Ein hässlicher kleiner Bursche, er lispelt.«
    Rosso überlegte kurz. »Er wird bestochen worden sein, das Gift aber nicht selbst hineingegeben haben. Darum kümmere ich mich später. Remin sagte, die Symptome, die du gezeigt hast, hat er schon oft gesehen, auch bei Tieren. Es gibt ein starkes Gift, das man aus dem Wasserschierling gewinnen kann: Cicuta virosa oder, wie sie hier sagen, Ciguë aquatique .«
    » Cicuta virosa ?«
    Rosso Fiorentino erhob sich. Unter seinem dunkelblauen Mantel schimmerte ein weißes Hemd, der einzige Kontrast im dunklen Zimmer. Er stand neben dem Bett, und sie fühlte, dass er sie betrachtete, obwohl sie seine Augen nicht richtig sehen konnte. »Schierling. Eine der ältesten Giftpflanzen. Sokrates trank den Schierlingsbecher. Remin sagt, dass es für einen, der sich auskennt, ein Leichtes ist, die Pflanze in den Sümpfen zu finden. Und Sümpfe gibt es hier genug.«

    Langsam kam er um das Bett herum, beugte sich noch einmal zu ihr und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Schlaf ein wenig. Du brauchst deine Kräfte für die Reise.«
    »Reise?« Sie wollte sich erheben und sagen, dass sie nicht gehen würde, doch ihr Körper war so schwer, und sie musste blinzeln, um ihre Augen offen zu halten.
    »Es ist zu deinem Besten, glaub mir.«
    Mit Rossos warmer Stimme im Ohr glitt sie hinüber in einen tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem sie nur einmal kurz erwachte. Michel Remin, der freundliche Medicus, gab ihr eine Medizin, die ihre Magensäfte beruhigen sollte, und danach schlief sie erneut ein.
     
    Als sie das nächste Mal erwachte, schien ihr helles Sonnenlicht ins Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht. Das Fenster kam ihr viel größer vor als vorher, und sie hörte nicht die Stimmen der Handwerker nebenan, sondern ein melodisches Frauenlachen und Vogelgezwitscher. Sie richtete sich in ihren Kissen auf. Ihre Kissen! Sie befühlte das feine Leinen mit den zarten Spitzenbordüren. Alles duftete nach Rosen und Jasmin. Dann fühlte sie das dünne Hemd aus feinstem Batist auf der Haut. Ein Hemd, wie es vornehme Damen trugen. Das Bett hatte einen Baldachin und war von gerafften hellblauen Vorhängen umgeben. Sie schlug die weiche Decke zurück und setzte die Füße auf den Boden. Neben dem Bett standen seidene Pantöffelchen, und auf dem glänzenden Steinfußboden lagen wundervolle orientalische Teppiche. Auf einem Sessel fand sie einen hellblauen Umhang, den sie umlegte und mit einem bestickten Gürtel zuband.
    Das Fenster reichte bis auf den Boden. Eine der Flügeltüren war geöffnet, und sie sah auf einen wildwuchernden Garten voller Blumen. Bienen summten und flogen von Blüte zu Blüte, auf einer Terrasse lag schlafend eine Katze in der
Sonne. Luisa setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Ihr Körper fühlte sich fremd an, doch sie konnte gehen und blieb vor einem kleinen Tisch stehen, auf dem ein Wasserkrug stand. Daneben lag ein Spiegel, den sie neugierig aufnahm, um sich zu betrachten. Erschrocken sah sie in ein hohlwangiges Gesicht mit riesigen Augen, die von dunklen Schatten umgeben waren. Ihre Haare hingen ihr wirr bis auf die Schultern.
    »Ah, Madame ist aufgewacht. Wie fühlt Ihr Euch?« Das war die melodische Frauenstimme. Sie gehörte einer herzlichen Frau mittleren Alters, die eine weiße Haube auf dem aufgesteckten Haar und ein duftiges zartrosa Kleid mit ebenso weißer Schürze trug.
    »Ich, wo bin ich?« Luisa stützte sich auf dem Toilettentischchen ab und sah sich in dem großen Zimmer um, in dem an einer Wand eine Tapisserie hing, in einer Ecke standen ein Schrank und eine Truhe, und in einer großen Vase auf dem Boden verbreitete ein Strauß Rosen seinen süßen Duft. Sie hatte keine Erinnerung daran, wie sie hierhergekommen war und was Fiebervision und was Wirklichkeit gewesen

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