Die Malerin von Fontainebleau
kommt. Wie alt bist du, Luca? Siehst aus, als wärst du gerade aus den Windeln!« Er lachte, und die anderen Stuckateure und Maler, die unter Primaticcio an der Ausschmückung der königlichen Gemächer tätig waren, fielen ein.
Luisa errötete. Derbe Scherze war sie gewöhnt, aber im Schutz der eigenen Werkstatt war das etwas ganz anderes, und sie fühlte sich unsicher. Ihr Bruder kam ihr zu Hilfe und klopfte ihr auf die Schulter.
»Wirst dich wundern, was er kann, Nestore. Manchmal sind die Kleinen die Größten. Seine Zeichnungen haben Meister Rosso jedenfalls gefallen.«
»Schöne Worte überzeugen uns nicht. Er wird sich erst beweisen müssen, der Signor artista .« Nestore stand lässig auf dem Gerüst, das bis unter die Decke reichte. Er war ein kräftiger Kerl und erfahrener Gießer, aber ein Künstler war er nicht.
Ohne sich auf ein Wortgefecht einzulassen, gingen die Geschwister weiter und standen endlich im Durchgang zur Galerie, auf deren Anblick Luisa hingefiebert hatte. Nervös
griff sie nach Armidos Hand, der sie jedoch sanft abschüttelte. »Luca!«
»Ich bin nur so überwältigt! Unterwegs habe ich ja schon einiges gehört von Franz’ prachtvollem Schloss, das alles übertreffen soll.«
Armido betrachtete die lichtdurchflutete Galerie, deren Fußboden mit schützenden Tüchern abgedeckt war. Das erste Freskenpaar waren die Vénus frustrée zu ihrer Linken und La Bataille des Centaures zu ihrer Rechten. Die Decke war bereits fertig. An den Wänden in der zweiten Hälfte der Galerie standen Gerüste, in der Mitte Werkbänke, und überall herrschte rege Betriebsamkeit. Mit dem Fuß schob Armido das Tuch zur Seite. »Das ist die Arbeit von Francesco.«
»Wundervoll!« Luisa bestaunte das kunstvoll in Rauten und Quadraten verlegte Parkett, dessen Muster sich in den dreidimensionalen geometrischen Formen der Decke spiegelte. Wieder und wieder wechselte ihr Blick zwischen der perfekt abgestimmten Symmetrie von oben nach unten.
»Grüß dich, Armido.«
»Ah, Francesco, darf ich dir meinen Bruder vorstellen? Luca, das ist unser Kunstschnitzer Francesco Scibec de Carpi.«
Luisa räusperte sich, schüttelte die dargereichte Hand und bemühte sich um eine tiefere Stimmlage. »Freut mich, Francesco.« Der drahtige Mann war kaum größer als sie, und sein offener Blick und das einnehmende Lächeln machten ihn ihr sofort sympathisch.
»Armido hat von dir erzählt. Du bist ein mutiger junger Mann, dass du unaufgefordert die gefährliche Reise auf dich genommen hast. Respekt! Ah, da kommt der Meister. Meine Bänke sind endlich fertig. Die ersten beiden habe ich heute Morgen zur Probe hier vorn aufstellen lassen. Hast du sie schon gesehen, Armido?« Stolz wies Scibec auf das erste
Freskenpaar, unter dem je eine große Holztafel mit drei flankierenden schmaleren Paneelen an der Wand lehnte. In der Mitte stand eine schlichte Bank mit Chimären als Armlehnen und Cabriolebeinen mit Klauenfüßen. Die Vergoldung korrespondierte mit der dezenten Verwendung des Edelmetalls in den Paneelen. Da die Holzvertäfelung erst angebracht werden konnte, sobald Fresken und Stuckaturen und die damit verbundenen feuchten Arbeitsgänge abgeschlossen waren, hatte der Kunsttischler seine Werke kurzzeitig zur Demonstration in die Galerie gebracht.
»Hervorragende Arbeit, Francesco. Der Meister wird zufrieden sein.«
»Was hast du gemacht, Armido?«, fragte Luisa.
Ihr Bruder wies auf die Karyatide, doch Luisa kam nicht mehr dazu, ihre Bewunderung in Worte zu fassen, denn von hinten kam Bewegung in die Handwerker, und alle Augen starrten wie gebannt auf den Mann, der langsam mit prüfendem Blick durch die Galerie schlenderte.
»Rosso Fiorentino«, flüsterte Luisa ehrfürchtig und hätte fast einen Hofknicks gemacht, erinnerte sich jedoch rechtzeitig an ihre Rolle und nahm stattdessen die Schultern zurück.
»Er ist ohne seinen Schatten hier«, bemerkte Scibec leise.
»Schatten?«, fragte Luisa ebenso leise und verfolgte gebannt jede Bewegung des schönen Mannes, der in seinem goldbraunen Wams wie einem Gemälde entstiegen schien.
»Francesco Pellegrino ist sein Gehilfe, ein aufgeblasener, schleimiger Tropf, Sohn aus reichem Hause, der es sich leisten kann, den Meister zu begleiten, und dafür gelegentlich zum Pinsel greifen darf«, erklärte Armido.
Scibec hielt sich die Hand vor den Mund. »Treffender hätte es wohl niemand ausdrücken können, mein Freund, den Pinsel halten, wirklich …« Mühsam unterdrückte er ein
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