Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
Kappe aufsetzte, sah sie aus wie ein hübscher Jüngling, zu hübsch, fürchtete Armido, als er an Pellegrino und einige französische Edelmänner mit einer ausgeprägten Vorliebe für das eigene Geschlecht dachte. »Können wir dir nicht eine Warze ins Gesicht kleben?«
    »Warum denn? Ich schmiere ein wenig Ruß auf die Wangen,
dann sieht es aus wie Bartflaum. Das habe ich unterwegs auch getan, und es hat noch jeden getäuscht. Das dürfte genügen. Zum Glück habe ich an weiblichen Attributen nicht viel vorzuweisen.« Sie strich zufrieden über ihre flachen Brüste, die unter dem stramm gewickelten Tuch nicht zu sehen waren.
    »Aber du bewegst dich immer noch zu sehr wie eine Frau. Das muss besser werden.« Nachdenklich musterte Armido sie. »Dass dich auf der Reise niemand als Frau erkannt hat, grenzt an ein Wunder, aber das Glück ist mit den Unschuldigen und den Narren … Pellegrino jedoch ist gefährlich. Er ist die rechte Hand des Meisters, was Organisation und finanzielle Belange angeht. Außerdem pflegen die beiden eine sehr enge Freundschaft. Nicht nur, dass er dir vielleicht an die Wäsche will, weil er dich für ein Knäblein hält, sondern auch, weil er furchtbar eifersüchtig ist, und Meister Rosso wird ganz sicher auf dich aufmerksam werden.«
    Luisa stand auf und nahm Armido die Schere aus der Hand. »Danke. Ich weiß nicht, wieso, aber ich dachte immer, der Meister sei ein Liebhaber der Frauen.«
    »Das ist er auch, er ist ein vollkommener Ästhet und liebt alles Schöne.« Armido lächelte schief, während er das Wort »alles« betonte.
    »Oh«, sagte Luisa, die nicht so recht wusste, was sie damit anfangen sollte. »Ich fühle mich gut, Armido. Zeigst du mir die Galerie?«
    Seufzend reichte er ihr das Wams, das ihre schmalen Schultern und die weiblichen Hüften verbarg, und nickte. »Na komm.«
    Sie traten auf den Gang hinaus, der von einem Fenster und dem offenen Treppenhaus erhellt wurde. Zwei Mägde liefen mit gesenkten Köpfen an ihnen vorbei. Von den Künstlern und Handwerkern war niemand zu sehen. Sie
waren bereits mit den ersten Sonnenstrahlen an die Arbeit gegangen.
    »Hattest du nicht gesagt, dass der König bald kommt?« Luisa staunte über die reich verzierten Deckenbalken und den Ausblick aus dem Treppenhaus. Es war kühl, doch trocken, und auf den breiten Sandwegen paradierten berittene Wachsoldaten.
    »Zumindest hatte ich das läuten hören, aber genau weiß man es erst, wenn er tatsächlich da ist. Nur zu deiner Orientierung: Hinter uns liegen der Salle de Bal und die Kapelle, und wir gehen auf den Salle des Gardes und die Gemächer Seiner Majestät zu.«
    Luisa war überwältigt von den Ausmaßen der Schlossanlage, auch wenn weite Teile und auch die Gärten noch in der Entstehung begriffen waren. Ihr Bruder führte sie die Treppen hinunter und zeigte ihr den Hof. »Das ist der Cour Ovale mit der Porte Dorée. Gilles Le Breton, der königliche Baumeister hat sie entworfen, ein merkwürdiger Kauz übrigens, Maurermeister und selbsternannter Architekt.«
    Ein massiger dreistöckiger Bau mit kleinen Giebeln und hoch herausragenden Kaminabzügen, die das spitz zulaufende Dach umringten, verband die angrenzenden Gebäudeteile. In jedem Stockwerk befand sich eine offene Loggia, flankiert von je zwei übereinandergelagerten Fenstern.
    »Primaticcio hat gesagt, dass er die Porte mit mythologischen Motiven freskieren soll. Breton hat den ursprünglichen Eingang abreißen lassen und dafür die Porte errichtet. Eigentlich ist sie nur noch Durchgang vom Cour Ovale zu den Gärten.« Armido machte eine vage Handbewegung Richtung Park und angrenzendem Wald.
    Einen Teil des Waldes von Fontainebleau hatte Luisa bei ihrer Anreise durchqueren müssen und erfahren, dass er einer Wildnis gleichkam – zerklüftete Hügelrücken, Schluchten,
alte Tannen und dichtes Unterholz, das kein Mensch zuvor durchwandert zu haben schien.
    »Die Gesimse müssen vereinheitlicht werden, aber, wie gesagt, bislang stehen erst Teile des Schlosses, es sind noch weitere Flügel geplant.« Armido zog sie wieder ins Innere, und sie folgte ihm durch eine Reihe hoher Räume, in denen bereits gearbeitet wurde.
    »Guten Morgen, Armido! Lässt du dich auch mal blicken? Ist anstrengend, die Kleine, was?« Ein Landsmann mit Bologneser Akzent lachte und machte eine eindeutige Geste von seinem Gerüst herunter.
    »Eh, Nestore.« Armido überging die Bemerkung. »Das ist mein Bruder Luca.«
    »Ich wusste ja gar nicht, dass dein Bruder

Weitere Kostenlose Bücher