Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
Vom Netzwerk:
Werkstatt haben. Er meinte, es sei eine Schande für die Familie, wenn jemand herausfindet, dass eine Frau als Stukkadorin arbeitet.«
    »Tomaso ist ein Trottel. Er sollte dankbar für deine Hilfe sein. Warum hat Pietro sich nicht für dich eingesetzt?« Er setzte Luisa mit Hemd in den Zuber.
    »Ist das heiß!«, rief sie, doch nachdem sich ihr Körper an die Temperatur gewöhnt hatte, entspannte sie sich und schloss die Augen. »Pietro ging es nicht gut, und außerdem hatte ich meinen Entschluss gefasst. Ich musste allerdings etwas Geld nehmen. Das war das Schlimmste, aber wir können ihm jetzt einen Brief schreiben und das Geld schicken, nicht wahr?«
    Armido zog sich den Stuhl heran. »Mmm, ja. Und dann?«
    Sie berichtete von ihrer abenteuerlichen Reise. Als sie den Namen des Monsignore erwähnte, horchte Armido auf. »Sampieri? Ganz sicher?«
    »Ja! Ein unangenehmer Mensch. Ich möchte kein Ketzer sein und ihm in die Hände fallen.«
    »Und die Saitenmacher? Lavbruch war deren Name?« Er meinte, diesen Namen in Verbindung mit den »Armen von Lyon« bereits gehört zu haben. »Und wie bist du dann weitergekommen?«
    »Ich habe zwei Tage in dem Gasthaus gewartet, bis ich
endlich auf einen französischen Kaufmann traf, der Madonnenbildnisse gekauft hatte und damit auf dem Weg nach Reims war. Ich konnte bis Bar-sur-Aube mit ihm reisen, aber ich hatte kein Geld mehr, und von da an wurde es schwierig. Ich habe mich allein zu Fuß bis Troyes durchgeschlagen, mich nachts in Ställe geschlichen und gegessen, was die Bauern den Tieren gaben.« Die Erinnerung an schimmeliges Brot und faulige Fleischreste drehten ihr auch jetzt noch den Magen um. »Dann habe ich einen Flussschiffer gefunden, der mich gegen Arbeit die Seine mit hinaufnahm. Ich habe Holz gestapelt und den Kahn gefegt. Irgendwann habe ich dann meine Hände nicht mehr gespürt. Die Kälte und diese alles durchdringende Nässe, ich musste an Deck schlafen, mir Platz zwischen den Holzstämmen schaffen.« Von ihrer fortwährenden Furcht, entdeckt zu werden, wenn sie sich einmal wusch oder ihre Notdurft in einen Eimer oder in Lumpen verrichtete, sprach sie nicht. Diese Angst war ihr Begleiter geworden und hielt sie dazu an, ständig auf der Hut zu sein. Nur ein Moment der Unachtsamkeit, und ihr Traum würde sich in nichts auflösen, denn er war so zerbrechlich wie eines der fragilen Stuckornamente, die sie für Meister Rosso schaffen wollte.
    Ihr Bruder hörte schweigend zu und fand es unbegreiflich, dass seine Schwester diese Reise überlebt hatte. Ihre Zielstrebigkeit und ihr Mut waren bewundernswert.
    »Ich weiß, dass ich nicht hier sein dürfte, Armido, aber ich bitte dich von ganzem Herzen, schick mich nicht sofort zurück! Lass mich Meister Rosso sehen. Die Galerie. Wie weit seid ihr? Sind die Fresken fertig? Könntet ihr nicht noch ein gutes Paar Hände gebrauchen?« Sie war so müde, und es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren, aber sie war hier! Hier in Fontainebleau, und ihr Bruder musste verstehen, dass er sie nicht einfach wegschicken durfte!

    Fürsorglich strich er ihr die nassen Haare aus der Stirn und sagte: »Wenn du zu Kräften gekommen bist, sehen wir weiter, aber ich könnte mir vorstellen, dass wir eine Lösung finden.«
    »Danke«, flüsterte sie, und ihr Lächeln überstrahlte die fiebrig glänzenden Augen und die eingefallenen Wangen.
    Armido wusste, dass nur die Hoffnung sie am Leben halten würde. Und wer weiß, vielleicht fand sich wirklich eine Möglichkeit. Seit Jahren spielte sie die Rolle des Jungen überzeugend, warum sollte es hier nicht funktionieren?
     
    Zwei Tage lang stand es kritisch um Luisa, und Armido wurde fast wahnsinnig vor Sorge, doch am dritten Tag sank das Fieber endlich, und die Krisis war überwunden. Ob es am guten Essen lag oder daran, dass Armido mit Rosso gesprochen und ihm Luisas Zeichnungen gezeigt hatte, die dieser wohlwollend zur Kenntnis genommen hatte, konnte er nicht sagen. Doch seine Schwester erholte sich in den folgenden zwei Wochen so schnell, dass es sie bald nicht mehr im Bett hielt.
    An diesem Morgen saß sie in Hose und Hemd am Tisch, auf den sie einen kleinen Spiegel gestellt hatte, den Didier gegen entsprechende Bezahlung herbeigeschafft hatte. Mit einer Schere schnitt sie sich die Locken ab, die ihr bereits über die Schultern fielen und sie allzu weiblich aussehen ließen. »Kannst du mir helfen?«
    Armido nahm die Schere und kürzte die restlichen Haare auf Schulterlänge. Wenn sie die

Weitere Kostenlose Bücher