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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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entlang den Wänden warfen flackernde Schatten an das unverputzte, feucht glänzende Kreuzgewölbe. An einer Seite befanden sich vergitterte Verliese, und am Ende des Gewölbes stand etwas erhöht ein schlichter Tisch, hinter dem Davids Richter saß, dessen Gesicht im Schatten lag. Guy de Mallêt stand mit arroganter Miene in erhabener Pose an einen Stuhl gelehnt, vor sich auf dem Tisch mehrere dicke Bücher und einen Weinkelch.
    Die Knechte stießen den gefesselten David nach vorn. Die Riemen schnitten ihm tief ins Fleisch, und David fluchte. Doch mehr noch als über seine Peiniger ärgerte er sich über seine eigene Dummheit, die ihn in diese missliche Lage gebracht hatte. Warum auch hatte er sich von Jules überreden lassen, mit zum Feenteich zu kommen? Jules war ein Idealist, ein blauäugiger Narr, der jeden in die Gemeinschaft aufnehmen wollte. Und barbe George war nicht anders. Wahrscheinlich hielten sie sich für die Retter unglücklicher Seelen. Dabei sah ein Blinder, warum dieser italienische Stuckfresser
konvertieren wollte. Armido hatte es auf Aleyd abgesehen, und er wusste, dass Aleyd ihrem Glauben treu war und niemals jemanden heiraten würde, der nicht zur Gemeinschaft gehörte. Aber sie hörten ja nicht auf ihn. Er war nur David, der ewige Zweifler, der Skeptiker. Dabei hatte er jeden Grund, an den Motiven gewisser Leute zu zweifeln, denen es plötzlich gefiel, zu den »Armen von Lyon« zu kommen. Warum gingen sie nicht einfach zu den Protestanten?
    Jemand riss an seinen Fesseln und holte ihn aus seinen Gedanken in die genauso unerquickliche Gegenwart zurück.
    »Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?« Guy de Mallêts Stimme hallte durch das Gewölbe.
    David Louven hob den Blick. Eine blonde Strähne klebte an seiner blutverkrusteten Schläfe. Was er sah, ließ ihn erzittern. Der Tisch, die Bücher, Mallêt in seinem schwarzen Gewand – alles deutete auf eine Befragung hin. Aber Mallêt war kein Inquisitor. Das wusste er mit Bestimmtheit. Mallêt war der Sekretär von Kardinal Tournon. »Ich glaube den wahren Glauben. Ich glaube alles, was ein Christ glauben muss«, sagte David und drückte die schmerzenden Schultern nach hinten.
    Wie ein Schatten hatte der hagere Mann mit dem Gesicht eines Raubvogels im Schatten hinter Mallêt verharrt. Als er jetzt vortrat, um David eindringlich zu mustern, erschauerte dieser. Der Tod hatte ein Gesicht bekommen. Das Böse breitete seine Schwingen aus und legte sich wie eine alles Leben und jede Wahrheit erstickende Wolke über das Gewölbe.
    »Ich kenne eure Schliche. Ihr haltet das, was die Mitglieder eurer Ketzersekte glauben, für den wahren Glauben. Aber wir verlieren nur Zeit mit diesem Wortgeplänkel.« Als Monsignor Sampieri seine kalte Stimme erhob, ging eine Veränderung durch die Anwesenden. Selbst die Knechte erstarrten, und in der einsetzenden Stille hätte man eine Nadel
zu Boden fallen hören. Sampieri trat an den Tisch, stützte die Hände auf und beugte sich leicht vor. »Glaubst du an den Einen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist?«
    Ohne zu zögern antwortete David: »Ich glaube.«
    Ein unscheinbarer Junge mit hässlichem Grinsen rückte dem Monsignore einen Stuhl heran. Nachdem der Geistliche sich gesetzt hatte, ließ sich auch Guy de Mallêt nieder. »Monsignor Sampieri ist mit direkten Vollmachten vom Heiligen Stuhl ausgestattet. Was der Kaiser schon lange als notwendig erachtet und in Spanien und den Niederlanden legitimiert hat, wird nun endlich auch in Frankreich zur Durchsetzung kommen – die heilige römische Inquisition!«
    In den letzten drei Worten Mallêts lagen Triumph, Genugtuung und das Wissen um die Schrecken, die diese Institution seit Generationen verbreitete. Davids Nackenhaare stellten sich auf, und dennoch konnte er nicht glauben, dass Seine Majestät Franz I. dieses totalitäre Instrument fanatischen Glaubens in seinem Königreich duldete. Hatte Franz nicht gerade erst einen Sieg gegen Karl errungen und damit seine Macht gefestigt? Sie, die Vaudois, wie sie im Volksmund hießen, waren doch nur eine verschwindend kleine Minderheit, die die Krone Frankreichs nicht gefährden konnte. Und doch – hatte die Plakataffäre nicht gezeigt, wie unberechenbar der König war?
    »Rutilio!«, sagte Sampieri knapp zu seinem Burschen, der ein versiegeltes Schreiben aus einer Schatulle nahm und auf den Tisch legte. »Seine Heiligkeit Paul III., einziger rechtmäßiger Stellvertreter Jesu Christi auf Erden, hat mir die

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