Die Malerin von Fontainebleau
hinter ihr zu den drei Männern, die am Ufer des von hohem Schilf umwachsenen Teichs warteten. Neben Jules stand ein hochgewachsener
Mann mit langem grauen Bart, barbe George, wie Armido vermutete. Der andere Mann, kräftig und mit wachen Augen, die Armido neugierig und prüfend musterten, war bewaffnet und wirkte nervös. »Endlich. Lasst uns beginnen. Der Morgen ist nah, und ich muss nach Paris.«
Jules begrüßte seinen Freund mit einer Umarmung und stellte die Männer vor: » Barbe George, und das ist David Louven, ein Bruder aus Straßburg, der deine Aufnahme bezeugen wird. Hast du Olivétans Bibel mitgebracht?«
»Natürlich. Sie ist …«, doch Aleyd hatte sich bereits umgedreht und ging zu seinem Pferd.
David, dessen helle Haare im Mondlicht schimmerten, fragte: »Warum willst du einer von uns werden? Die Kirche verfolgt uns als Ketzer. Dir drohen Befragung, Folter und Hinrichtung, und wenn du uns verrätst, werden wir dich töten.«
Aleyd kam mit der Bibel zurück und reichte sie dem barbe . David hatte wohl bemerkt, wie Armido Aleyd ansah, denn seine Miene wurde zusehends finsterer. Doch Armido ließ sich nicht beirren und sagte fest: »Ich erkenne die Autorität des Papstes nicht an, und ich lehne die Beichte, den Ablasshandel und die Heiligenverehrung ab. Ich bin allein Gott verantwortlich, und die Bibel allein verkündet Gottes Wort.«
Barbe George nickte. »Brav gesprochen, Paserini. Ich werde dich einer kurzen Befragung unterziehen.«
Aleyd schlug ihre Kapuze zurück und stellte sich mit gefalteten Händen neben ihren Bruder. »Schon bald geht die Sonne auf. Wir sollten uns tatsächlich beeilen. Denn die Wachen des Königs streifen durch die Wälder, vor allem jetzt, wo er in Fontainebleau ist.«
Armido schluckte. »Ich habe einen Mann des Königs getötet. Er ist mir gefolgt. Ich hatte keine Wahl!«
»Oh, ich habe es doch geahnt! Er macht uns nur Schwierigkeiten!
Sobald sie die Leiche finden, werden sie uns wieder hetzen«, wetterte David.
»Nein! So hört doch! Es war nur ein Mann, ein Jäger. Und er ist nicht im Auftrag des Königs unterwegs gewesen, sondern er war ein Spitzel von Mallêt. Ich habe es wie einen Überfall aussehen lassen. Seine Sachen werfe ich hier in den Teich. Niemand wird sie finden«, verteidigte Armido sich verzweifelt.
»Großartig! Dann kennen sie auch noch unseren geheimen Treffpunkt …« David Louven legte eine Hand auf seinen Degen und sah Armido wütend an.
»Beruhige dich, David. Wenn er die Wahrheit spricht und es kein Mann des Königs war, haben wir nichts zu befürchten. Wer ist dieser Mallêt?« Barbe George strahlte eine natürliche Autorität aus, die David respektierte.
»Jean de Mallêt ist ein geldgieriger intriganter Adliger, der zu den Konservativen um Diane de Poitiers und Montmorency gehört. Sein Sohn, Guy, ist Kardinal Tournons Sekretär.« Armido konnte den Blick nicht von Aleyd wenden.
Jules verzog das Gesicht. »Tournon und Mallêts Sohn – das überrascht mich nicht. Von Marot haben wir gehört, dass Montmorency wahrscheinlich das Amt des Connétable erhält, und nicht Madame d’Étampes’ Favorit Admiral de Brion. Dann wird die Partei der Poitiers noch stärker.«
Durch den Sacco di Roma vor zehn Jahren war der Connétable de Bourbon eine Berühmtheit in Italien geworden, wenn auch eine tragische. Das Amt des Connétable war das wichtigste in Frankreich und dessen Inhaber nach dem König der mächtigste Mann. Bourbon war einer der reichsten und einflussreichsten Männer Frankreichs gewesen und hatte den Neid und den Argwohn von Königinmutter Louise erregt. Diese hatte eine infame Intrige gegen Bourbon angezettelt und ihn um sein Vermögen und seine Ehre gebracht und ihn damit in die Arme Karls V. getrieben. Bourbon hatte
sich durch Ritterlichkeit und Ehrenhaftigkeit in jenem Feldzug durch Italien und auch vor den Mauern Roms ausgezeichnet. Beim Sturm auf Rom hatte der vom Schicksal gebeutelte Mann sein Leben gelassen, und seitdem war das mächtigste Amt im Königreich verwaist. Louise war tot, und Franz überlegte, wen er mit diesem Amt, das keine geringen Gefahren in sich barg, auszeichnen sollte.
»Na, das wird doch immer besser!«, schimpfte David. »Dann hat Paserini einen Gefolgsmann von der Partei umgebracht, die wahrscheinlich die einflussreichste werden wird. Dieser Mallêt gehört zur Poitiers und dem zukünftigen Connétable Frankreichs. Sie werden keinen Stein auf dem anderen lassen, bevor sie uns nicht allesamt
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