Die Malerin von Fontainebleau
Ich will Namen!« Monsignor Sampieri verschränkte die Arme vor der Brust.
»Macht mich los, dann gebe ich Euch einen Namen.«
»So billig kommst du nicht davon. Aber fangen wir mit einem Namen an.« Auf ein Zeichen Sampieris lösten die Knechte Davids Handfesseln.
Der Gequälte richtete den Oberkörper auf und rieb sich die geschundenen Handgelenke. Falls sie ihn gehen ließen, würde er sich eine gute Erklärung für Jules und die anderen überlegen müssen, denn niemand würde ihm glauben, dass er der Folter ohne Gegenleistung entkommen war.
Guy de Mallêt trat an die Bank. »Wer gehört noch zu euch? Jemand bei Hof?«
»In Fontainebleau«, brachte David hustend hervor.
Der Sekretär von Kardinal Tournon rieb sich die Hände. »Wer?«
»Einer von Rossos Leuten.« Es war heraus.
Sampieri hob die Augenbrauen. »Ein Italiener?«
»Armido Paserini.«
»Ah! Und sein jüngerer Bruder, dieser Luca, gehört natürlich auch dazu!« Mallêt lächelte äußerst zufrieden. Es kam noch besser, als er es sich erhofft hatte, denn nun hatte er etwas gegen Luca in der Hand. Der hübsche Jüngling war ihm seit jenem Abend in der Galerie nicht aus dem Kopf gegangen.
»Nein, nein. Ich weiß nur von Armido, sein Bruder ist keiner von uns«, versicherte David schnell, denn er kannte Luca nicht, und als er den Hass in Mallêts Augen aufflackern sah, bereute er seine Schwäche beinahe.
Monsignor Sampieri rieb sich nachdenklich das Kinn. »Kennen wir nicht einen Paserini? Rutilio!«
Der Bursche mit dem Wieselgesicht sagte: »Aber ja, Monsignore. Das war doch dieser junge Maler, Luca, der mit uns den Passo della Cisa überquert hat.«
»Richtig. Unsere kleine Reisegesellschaft bestand weiter aus einem Juden und drei Saitenmachern, die mir suspekt waren. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn das keine Ketzer waren. Wie hießen sie noch, Lavbach?«
»Lavbruch, Monsignore«, verbesserte Rutilio seinen Herrn.
David erbleichte. Die Gebrüder Lavbruch gehörten zu einer der ältesten Familien der Glaubensgemeinschaft. Die Brüder reisten unter dem Deckmantel ihres Berufs, um mit den führenden reformistischen Denkern in Genf, den deutschen Landen und dem Piemont zu sprechen. Und der älteste der Lavbruch-Brüder wurde zum nächsten großen Treffen der Gemeinde in Lyon erwartet.
»Warum fragen wir nicht einen, der es wissen muss?« Viennet legte eine Hand auf seinen Degen.
»Ich, nein …« Was hatte er angerichtet? Natürlich gaben sie sich mit einem Namen nicht zufrieden. Aber er konnte doch nicht ehrenwerte Brüder preisgeben. Brüder, von denen er wusste, dass sie eher in den Tod gehen als ihren Glauben, geschweige denn einen aus ihrer Gemeinschaft verraten würden.
Sampieri hob kurz die Schultern und sagte mit gespielt ergebener Miene zu den Knechten: »Weiter.«
Sofort wurden Davids Arme nach hinten gerissen, erneut gefesselt und die Winden mit doppelter Kraft angezogen. David brüllte, als die rechte Schulter aus dem Gelenk sprang, und verwünschte den Tag, an dem er geboren worden war. Als die linke Schulter auskugelte, gingen seine Schreie in heiseres Schluchzen über.
»Genug!«, befahl Sampieri und beugte sich über sein Opfer, nachdem man die Seile gelockert hatte. »Wie steht es mit deiner Erinnerung?«
»Lasst Ihr mich gehen, wenn ich Euch verrate, wo das nächste große Treffen stattfindet?« Sie wollten Informationen, und das war das Einzige, was er zum Tausch für sein Leben bieten konnte.
Mallêt verzog den Mund und schien etwas sagen zu wollen, doch Sampieri legte ihm schnell eine Hand auf den Arm. »Ja, du bist frei, wenn du meine Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortest.«
»Das ist mir zu vage«, keuchte David. Er konnte den Kopf nicht heben, um seine Gegner zu sehen. Alles, was er sah, war das rußgeschwärzte Gewölbe und die eisernen Haken, an denen die Seile hingen.
Aus einem der Kerker vernahm er das Scheuern von Eisen auf Stein, und jemand rief: »Die lassen dich sowieso nicht gehen!«
Ehe der Häftling mehr von sich geben konnte, wurde gegen die Gitter geschlagen, eine Tür quietschte, und Schreie erklangen. Die danach einsetzende Stille sprach deutlich.
»Das ist alles, was du bekommst!«, zischte Sampieri dicht an Davids Ohr.
»Dann fahrt zur Hölle!«, fluchte David und spuckte Sampieri ins Gesicht.
Monsignor Sampieri beherrschte seine Gefühle meisterlich und wischte sich langsam mit dem Ärmel über Mund und Wange. Mit steinerner Miene wandte er sich an Guy und die anderen.
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