Die Malerin von Fontainebleau
Florent de Saumur ernannt, und das ist gewiss nicht das Ende seiner Karriere.«
Thirys Haare stanken ranzig, sein Atem roch nach Alkohol, und Luisa hatte genug. »Lass mich los! Wozu erzählst du mir das überhaupt?«
»Eine kleine Warnung, denn du scheinst mir begabter als dein unverschämter Bruder. Wo ist er überhaupt? Wäre doch schade um ein junges Talent.« Thiry ließ sie los, räusperte
sich und spuckte aus. »Man kann über mich geteilter Meinung sein, aber einen guten Künstler weiß ich zu schätzen.«
Jetzt war es an Luisa, überrascht zu sein. Hatte sie Thiry falsch eingeschätzt, oder war das nur eine weitere seiner kleinen Intrigen gegen Armido, den er vom ersten Tag an mit üblen Scherzen verfolgt hatte?
Scibec, der seine Satteltaschen abgeschnallt und sich über die Schulter geschwungen hatte, trat hinzu. »Was gibt’s, Léonard? Machst du dich wieder mal unbeliebt?«
Doch Thiry winkte nur ab und ließ sie stehen.
»Was war denn das?«, fragte Scibec.
Luisa strich sich eine nasse Strähne aus der Stirn. »Ich weiß nicht. Er hat mir erklärt, was der Kardinal alles Großartiges für den König getan hat, und meinte, ich solle mich in Acht nehmen.« Sie zitterte. Feuchtigkeit, Kälte und die Anstrengungen der Reise forderten ihren Tribut. »Wo ist unser Quartier, Francesco? Ich glaube, mir ist nicht gut.«
Der Kunsttischler schüttelte den Kopf. »Du bist viel zu empfindlich. Ganz anders als Armido. Den haut so rasch nichts um. Manchmal denke ich, an dir ist ein Weib verloren gegangen.«
Luisa versuchte sich nichts anmerken zu lassen und bemühte sich um einen betont männlichen Gang und eine tiefere Stimmlage. Da sie von Natur aus eine dunkle, rauchige Stimme hatte, fiel ihr das nicht schwer. »Also, wohin sollen wir?« Energisch griff sie nach ihrer Tasche, die einer der Knechte für sie vom Pferd genommen hatte.
»Immer der Menge nach, und dann wird uns eine Hofschranze einweisen.« Scibec grinste und marschierte hinter Thiry und den anderen Künstlern her. Heimlich hatte Luisa gehofft, dass Meister Rosso sie in sein Pariser Haus einladen würde, denn sie wusste von seinem Domizil in der Hauptstadt, und Armido hatte die Großzügigkeit und Gastfreundschaft
des Meisters betont. Doch ihre Wünsche und Hoffnungen waren weit von der ernüchternden Wirklichkeit entfernt.
»Bist du schon einmal im Louvre gewesen, Francesco?«, fragte Luisa und hob trotzig das Kinn. Dann trat sie durch einen Torbogen in eine von vielen Empfangshallen. Diese war klein und der Treppenaufgang schmal. Trotzdem standen auf Mauervorsprüngen und in Nischen Kanopenvasen und römische Statuen. Ein ovales Marmorrelief, das drei Grazien zeigte, zierte die Seitenwand am oberen Treppenabsatz. Der Geist Italiens hatte Einzug gehalten in das mittelalterliche Gemäuer des Louvre.
Ein blasierter Diener geleitete sie in den zweiten Stock, wo ihnen die Schlafräume zugeteilt wurden. Luisa erschrak, als ihr bewusst wurde, dass sie sich mit Armido und Scibec ein Zimmer teilen musste. Ihr Protest stieß jedoch auf taube Ohren. Unglücklich fand sie sich in einem kleinen Raum wieder, in dessen Mitte ein Bett und am Fenster ein Schemel vor einem Waschtisch standen. Kein Paravent, kein Ankleidezimmer, in dem sie sich allein hätte umziehen können. Sie konnte doch nicht drei Tage lang diese Kleider anbehalten! Doch ihre Erschöpfung ließ keine weiteren Überlegungen zu. Müde warf sie sich auf das muffig riechende Bett. Die Federn stachen durch die Bezüge, und sicherlich waren sie voller Flöhe. Als sie sich das erste Mal kratzte, war sie bereits eingeschlafen.
Sie erwachte vom lauten Zuschlagen der Tür. Verschlafen öffnete sie die Augen und entdeckte Scibec, der mit einem Leuchter vor dem Bett stand. »Wir sollen dem Meister bei den Kostümen und einigen Bühnenaufbauten helfen. Auf, Luca, genug geschlafen. Zumindest ein Paserini muss Flagge zeigen.«
Seufzend richtete Luisa sich auf. Ihr Mund war trocken, und sie hatte Hunger. Wo zum Teufel steckte Armido? Sie
warf die Decke zurück und kratzte sich an Armen und Beinen. »Mistviecher!«
»Hast du dich immer noch nicht an die französischen Flöhe gewöhnt? Sie sind schlimmer als unsere!« Scibec lachte. »Weil sie unseren zahlenmäßig überlegen sind!«
»Hmm.« Wäre sie zu Hause im beschaulichen Siena geblieben, hätte sie einen sauberen Strohsack und gutes Essen gehabt. Aber dann hätte sie dank Tomaso kaum noch in der Werkstatt arbeiten dürfen. Luisa zwang sich zu
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