Die Malerin von Fontainebleau
nicht? Ein Inquisitionsgericht hat David zu Tode gefoltert, und womöglich hat er uns verraten. Ich weiß es nicht. Keiner weiß etwas Genaues!«<
Während er seinen nassen Umhang über einen Stuhl hängte, sagte Armido: »Ich dachte, der König von Frankreich ist gegen die Inquisition? Wir sind doch nicht in Spanien oder Italien.«
»Nein, wir sind in Frankreich, wo der König rauschende Feste feiert und seine Augen vor der Wirklichkeit verschließt.« Aleyds warme Stimme drang Armido bis in die Magengrube und ließ sein Herz höher schlagen. Ihr schlichtes, dunkles Kleid betonte ihre schlanke Figur, und er konnte den Blick nicht von ihr wenden.
»Aber hier in Frankreich gilt das Inquisitionsrecht doch nicht …« Natürlich wusste Armido von der konservativen Opposition, aber in Rom war stets die Toleranz der französischen Königs gerühmt worden. Erst nach seiner Ankunft in Fontainebleau hatte Armido durch Jules von den Schwierigkeiten der Protestanten gehört, sie aber nicht sonderlich ernst genommen. Bis zu jener Nacht, in der er den Jäger erstochen hatte.
Der beleibte Grauhaarige kam herein. Sein Wams war von Tinte und Druckerschwärze verschmiert. »Wir legen auf Förmlichkeiten keinen Wert. Bist du allein gekommen? Thibault.«
Armido drückte die dargereichte Hand. »Armido. Ja. Erwartet ihr noch mehr?«
»Robert, Gérard und barbe George wollten kommen.« Thibault Ariès rieb sich das stoppelige Kinn.
»Robert und Gérard?«, fragte Armido.
Aleyd lehnte in der Tür. »Robert Estienne, ein fabelhafter Buchdrucker, und Gérard Vitry, Thibaults Freund.«
David war tot. Langsam wurde Armido das Ausmaß bewusst. Auch wenn er den jungen Glaubensbruder kaum gekannt hatte, erschütterte ihn, dass sein Tod religiös motiviert war. Die Gefahr war real geworden und die Zeit des Spielens, falls es sie jemals gegeben hatte, vorüber. »Ist es denn sicher, dass David gefoltert wurde?«
Thibault schnaufte unwillig. »Glaub mir, wir wissen, wenn einer von den Inquisitionsschergen gefoltert wurde. Die Plakataffäre hat einige unserer besten Kämpfer das Leben gekostet. Ich war im Gefängnis und habe versucht, meinen Freunden zu helfen. Was ich gesehen habe, war so grauenhaft …« Der kräftige Mann rang nach Worten, und Jules legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Schon gut, Bruder.«
»Es tut mir leid.« Hilflos suchte Armido Aleyds Blick. Sie nickte und winkte ihn in den Nebenraum.
»Lasst uns etwas essen. Thibault ist dafür bekannt, dass er immer eine heiße Suppe bereithält.« Sie ging zum Kamin, über dessen Feuer ein Topf hing, aus dem es appetitlich roch.
Dankbar nahm Armido die heiße Schüssel entgegen, die Aleyd ihm reichte. Er setzte sich auf einen Schemel und
überließ die beiden Armlehnstühle Thibault und Jules. Aleyd gab jedem eine Portion des Haseneintopfs und ein Stück Brot. Schweigend aßen sie, jeder wischte auch den letzten Tropfen Suppe mit seinem Brotstück auf.
»Und du willst einer von uns werden?«, fragte Thibault und wischte sich den Mund mit seinem Ärmel sauber.
Armido nickte. »Ich kenne alle Glaubensregeln, und der barbe hätte mich aufgenommen, wenn ich nicht zu spät gekommen und David des Wartens müde gewesen wäre.« Er hielt inne. »Warum David? Ich meine … Ich habe den Jäger erstochen, eigentlich …«
»Zerbrich dir nicht den Kopf, Armido. Du kannst nichts dafür. Wir haben uns später mit David getroffen, und er hat die Bibel mit nach Paris genommen. Er wollte sie barbe Joseph geben, doch da ist er nie angekommen. Sie müssen David auf dem Weg zum Treffen abgefangen haben«, sagte Jules.
»Sie?«, wollte Armido wissen.
Aleyd nahm den Männern die Schüsseln aus den Händen. »Männer des Kardinals. Tournon ist die treibende Kraft. Wir haben Hunderte von Hinweisen, die auf ihn deuten, und er scheint sich nicht einmal Mühe zu geben, Spuren zu verwischen.«
»Solange der König nichts unternimmt …« Jules zuckte die Schultern.
»Früher hätte Franz das nicht geduldet, und seine Schwester war sein gutes Gewissen, aber seit dieser unseligen Plakataffäre ist alles anders«, seufzte Aleyd. »Daran ist Marot nicht unschuldig. Er hat es übertrieben.«
»Aber er ist immerhin wieder in Frankreich.« Thibault stand auf und holte einen Weinkrug.
Es klopfte mehrmals kurz hintereinander an der Hintertür. Jules ging hinaus und brachte zwei hochgewachsene Männer mit, die ihre nassen Umhänge bereits abgelegt hatten.
Der elegante Robert begrüßte Aleyd mit
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