Die Malerin von Fontainebleau
eitriges Sekret klebte an den Leinenstreifen. Remin murmelte etwas in seinen Bart.
Luisa roch den fauligen Eiter. »Ihr könnt ihm doch helfen, Michel?«
»Hm, ich hatte gehofft, dass das Schwären aufhört. Aber macht Euch keine Sorgen. Ich habe eine neuartige Salbe von einem Kollegen, Ambroise Paré.« Remin zog einen Tiegel aus seiner Tasche und bestrich frische Leinenstreifen mit der stark riechenden Salbe.
»Was ist da drin?«, fragte Luisa.
»Die genaue Rezeptur verrät er nicht, aber Rosenöl und Terpentin sind Bestandteile«, erklärte Remin.
Armido wollte seine Arme wegziehen.
»Nicht doch! Paré hat die Salbe im Feld ausprobiert und große Erfolge bei der Heilung von Schusswunden erzielt. Er ist zwar nur ein Barbier, aber ihm gebührt Anerkennung
auf dem Gebiet der Chirurgie.« Michel Remin war sich nicht zu schade, einem anderen Vertreter seines Fachs Lob auszusprechen und dessen Erkenntnisse zu nutzen, das zeichnete ihn aus. Nachdem er die Arme verbunden hatte, nahm er sich Armidos Unterschenkel vor.
Luisa stockte der Atem, als sie die tiefen Einstiche sah, die die Dornen des Folterstuhls hinterlassen hatten. »Oh, dieser verfluchte Hundesohn!«
»Ihr sprecht mir aus der Seele. Ich bin gegen jede Art von Folter. Was kann das bringen? Ab einer gewissen Schmerzgrenze wird jeder Mensch alles sagen, was verlangt wird. Das hat nichts mit Wahrheitsfindung zu tun. Und als Arzt bin ich ohnehin gegen jede unnötige Verletzung des menschlichen Körpers. Es ist schwer genug, ein neues Leben auf die Welt zu bringen und es zu erhalten.« Michel Remin umwickelte geschickt die gesäuberten Wunden. »Die Beine werden schneller verheilen, weil die Wunden nicht zerrissen sind. Die Wundränder an den Armen sind ungleichmäßiger. Wie kommt das?«
Armido räusperte sich. »Guy de Mallêt hat es sich nicht nehmen lassen, selbst Hand anzulegen.«
»Dafür werden wir ihn vor Gericht bringen!«, sagte Luisa.
»Darauf würde ich nicht wetten, Luca. Besser, Ihr haltet Euch von ihm fern. Er und sein Vater sind eine böse Brut und eng mit Tournon und Diane de Poitiers befreundet. Dagegen kommt Ihr nicht an. Und bei Hof stirbt es sich unter Umständen schnell …«, sagte der Medicus.
Luisa schluckte. »Sobald Armido gesund ist, gehen wir zurück nach Fontainebleau.«
»Du wirst schon morgen gehen, Luca!« Armidos Stimme war unnachgiebig. »Ich werde hier gut versorgt und brauche dich nicht. Aber auf dich wartet Arbeit in Fontainebleau. Außerdem wirst du für mich einspringen müssen.«
»Ach ja, das könnte dir so gefallen!« Aber Luisa sah ein, dass ihr Bruder recht hatte. Seine und ihre Arbeit waren allzu lange vernachlässigt worden. Auch wenn Rosso Verständnis gezeigt hatte, wenn es um seine Projekte ging – und die Galerie im Lieblingsschloss des Königs hatte oberste Priorität -, war der Meister streng und achtete genau auf die Einhaltung seines Zeitplans.
Drei Tage waren vergangen, seit Luisa Paris verlassen hatte. Die Wunden an Armidos Beinen verheilten gut, nur die Arme bereiteten ihm Sorgen. An mehreren Stellen wollte sich das entzündete Fleisch nicht schließen, und die Haut verfärbte sich dunkel. Michel Remin sah nicht glücklich aus, wenn er zum Verbandswechsel kam, aber er machte Armido Hoffnung und zerstreute seine Bedenken, dass es zu einer Amputation kommen könnte. Der Marseiller Arzt führte die langwierige Entzündung auf Armidos geschwächten Körper zurück, das Bad im Fluss und die anschließende Haft hatten die Infektion mit Sicherheit begünstigt.
Aber er war fieberfrei und fühlte sich seit Tagen zum ersten Mal kräftig genug, das Haus seiner Gastgeberin zu erkunden. Seit seiner Befreiung hatte Madame d’Étampes ihn nur einmal kurz besucht, und das in Begleitung ihrer Hofdame Élodie de Tavannes, einer schönen Frau, die Armido allerdings nicht ganz einschätzen konnte. Sie war zwar freundlich, schien aber berechnend. Ihr fehlten die Warmherzigkeit und die übersprudelnde Lebendigkeit von Madame d’Étampes.
Nachdem er sich gewaschen und rasiert hatte – zu einem Bart konnte er sich nicht durchringen, auch wenn das der französischen Mode entsprach -, kleidete er sich an. Madame hatte ihm ein sauberes Hemd, zweifarbige Hosen und einen pelzgefütterten Schoßrock hinlegen lassen, so dass
Armido eine gepflegte Erscheinung im Spiegel begutachten konnte.
Sein Zimmer befand sich im ersten Stock, flankiert von weiteren prächtig ausgestatteten Wohn- und Schlafräumen. Er
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