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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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durch ein Tuch.
    »Wie lange bist du schon Kammerdiener bei den ausländischen Künstlern?«
    »Ich weiß nicht genau, zwei Jahre etwa. Ja, zu Ostern werden es zwei Jahre sein, denn vorletztes Osterfest bin ich von zu Hause fort. Geh an den Hof, hat mein Vater gesagt, wir haben kaum genug zu beißen, aber am Hof, da gibt es immer zu essen. Und wenn du es schlau anstellst, hat mein Vater gesagt, dann kannst du es weit bringen.«
    »Was ist das Metier deines Vaters?«

    »Oh, er ist Bauer, aber er kann lesen, und die Leute kommen mit Briefen zu ihm, die er ihnen dann vorliest«, erklärte der blasse Junge stolz.
    »Er kann lesen? Hat er dir auch das Lesen beigebracht?« In der Stimme lag etwas Lauerndes, und der Junge zögerte instinktiv mit der Antwort. Er wusste nicht, mit wem er sprach, und würde sich später nicht in Acht nehmen können.
    »Kannst du lesen? Antworte mir!«
    »Nur ein wenig, Euer Gnaden.«
    »Und schreiben?«
    »Nein.« Das war gelogen, aber er ahnte, dass der Mann es nicht gutheißen würde.
    »Lüg nicht! Kannst du schreiben?«
    »Nur meinen Namen, Euer Gnaden.«
    Jemand drückte die schwere Kapellentür auf, und der Junge fuhr herum.
    »Was ist da los?«, zischte der Unbekannte aus dem Beichtstuhl.
    »Einer der Mönche.« Der Junge steckte die Goldmünzen in seinen Gürtel und verschränkte die Hände auf dem Holz vor ihm.
    Der Mönch war alt und blinzelte im Zwielicht der Kapelle. Seine nackten Füße steckten in offenen Sandalen, mit denen er über die Steinfliesen schlurfte. Sorgsam trug er eine große Kerze, die er auf einen vergoldeten Ständer am Altar steckte. Erst als der Mönch sich umdrehte und denselben Weg zurückging, entdeckte er den knienden Jungen.
    »Was tust du hier? Drückt dich eine Last, die du einem Priester beichten möchtest?«
    »Sag ihm, dass du beten willst«, flüsterte der Unbekannte.
    »Nein, Bruder. Ich bin hier, um zu beten.«
    »Guter Junge. Gott sei mit dir.« Der Mönch schlug das Kreuzzeichen und entfernte sich.

    Mit schweißnassen Händen verharrte der Diener weiter vor dem Beichtstuhl. Seine Knie begannen zu schmerzen. »Er ist fort, Euer Gnaden.«
    Es raschelte leicht im Innern des Beichtstuhls. »Erzähl mir von Meister Rossos Leuten. Der Holzschnitzer, Scibec de Carpi. Ist er ein gläubiger Mann?«
    »Ja. Er trinkt manchmal viel, aber er geht immer zur Messe.«
    Und so ging es weiter. Über jeden Künstler musste der Junge Auskunft geben, und er tat das, so gut er konnte, denn er wusste von keinem der Künstler, dass er Unrechtes täte. Sie waren Ausländer, aus Italien und den Niederlanden, und manche verfielen den Frauen und dem Wein, andere spielten und verloren ihren gesamten Lohn, was der Junge für sehr töricht hielt. Ihm war bewusst, dass der König viel Geld für seine Kunstwerke ausgab, zu viel, wenn man ihn gefragt hätte. Aber einen armen Jungen aus der Provence fragte niemand. So jemand wie er wurde getreten und gescholten, hin und her gejagt oder verprügelt. Die Schläge, die er erst gestern vom Ersten Kammerdiener erhalten hatte, schmerzten noch. Ein Dutzend Hiebe auf das Gesäß, nur weil er die Bettwäsche hatte fallen lassen. Ein Unsinn war das, machten die Leute das Leinen doch sofort wieder dreckig.
    »… und die Gebrüder Paserini. Wie steht es mit denen?«, fragte der Unbekannte unnachgiebig und riss den Jungen aus seinen Gedanken.
    »Monsieur Armido?« Er stutzte. Der war immer sehr nett und großzügig. Sein jüngerer Bruder, Luca, dagegen war merkwürdig, still und etwas seltsam.
    »Ja, genau der. Was ist, muss ich dir jedes Wort aus der Nase ziehen?« Langsam wurde der mysteriöse Frager ungeduldig.
    »Nein, es ist nur. Ich weiß nicht …« Eigentlich wollte er nicht von den Papieren sprechen, die er bei Luca Paserini
gesehen hatte, denn wenn es schlimm für den einen wurde, konnte es den anderen mit hineinreißen. Er hatte schon oft von so etwas gehört. Manchmal war nur einer aus der Familie ein Ketzer oder eine Hexe, und trotzdem waren sie später alle tot. Im Nachbardorf war vor vier Jahren die Frau des Stellmachers verbrannt worden, weil der Abt sie der Hexerei überführt hatte. Der hohe Abt hatte dieses Buch gehabt, dessen Name den Jungen noch immer schaudern ließ – Malleus Maleficarum . Darin stand, wie man Hexen erkennen konnte, und am Ende hatten sie bewiesen, dass die Stellmacherfrau Feldfrüchte verdorben und die Frau des Schmieds zur Unfruchtbarkeit verhext hatte. Der Abt hatte klug diskutiert und Beweise mit

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