Die Malerin von Fontainebleau
brachte.
»Armido? Bist du wach?« Luisa steckte den Kopf zur Tür herein.
»Ja, komm nur herein.«
Sie kam mit einem Tablett, auf dem sich zwei Becher mit heißem Gewürzwein und ein Teller mit glacierten Maronen befanden. Lächelnd stellte sie das Tablett auf dem Bett ab
und setzte sich zu ihm. Ihre Wangen sahen rosig aus, und sie strahlte wie schon lange nicht mehr.
Armido setzte sich auf und nahm dankbar einen Becher. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist verliebt, Luisa.«
Sie lachte. »Unsinn! Ich bin glücklich, dass es dir besser geht. Trinken wir auf deine Genesung und die Güte von Madame d’Étampes und Meister Rosso!«
Verständnislos nippte er an seinem Wein. »Meister Rosso?«
»Aber ja! Wer, denkst du, hat ein gutes Wort für dich bei Madame eingelegt? Niemand anders als unser Meister. Ohne ihn wärst du nicht hier, oder glaubst du, man hätte mich überhaupt vorgelassen?«
Armido runzelte die Stirn. »Das hat er für mich getan?«
Sie senkte den Blick. »Für uns. Er ist ein wunderbarer Mensch, Armido. Nie würde er einen seiner Leute im Stich lassen.«
»Luisa!«
Stumm sah sie ihn an, und er erkannte in ihren träumerischen Augen, was er befürchtet hatte. »Wie konntest du nur! Er ist kein Mann für dich. Er spielt mit dir. Du bist nichts weiter als eine Laune für ihn!«
»Nein, das ist nicht wahr! Er schätzt mich als Künstlerin und als Menschen.«
»Als Menschen? Nicht einmal als Frau? Mein Gott, Luisa, was denkst du dir bloß. Hast du nicht begriffen, dass Pellegrino sein Freund, sein Gefährte ist?« Armido war unendlich enttäuscht von seiner leichtsinnigen Schwester, aber durfte er ihr einen Vorwurf machen?
»Hör auf, Armido. Du tust ihm Unrecht. Es war meine Entscheidung. Ich liebe ihn. Zuerst waren es seine Werke, aber bereits seit meiner ersten Begegnung mit ihm weiß ich,
dass er der einzige Mann für mich ist. Daran kannst du nichts ändern. Niemand kann daran etwas ändern.«
Armido konnte seine Wut nicht mehr für sich behalten und fragte spöttisch: »Und wie soll sich eure wundervolle Beziehung gestalten? Wirst du weiter als Mann verkleidet in der Galerie arbeiten, immer zwischen Bangen und Hoffen? Ist das ein Leben, Luisa?«
»Ja.«
Armido schwieg. Ja, es war ihr Leben, aber er trug die Verantwortung für sie. Es war seine Schuld, dass sie nach Frankreich gekommen war.
Sanft legte Luisa eine Hand an seine Wange. »Ich weiß, was du denkst. Mach dir keine Vorwürfe. Die Kunst ist mein Leben, und du hast sie mir nahegebracht. Weißt du noch, wie du mich mitgenommen hast nach Volterra und mir Rossos Kreuzabnahme in San Francesco gezeigt hast? Das war Schicksal, Armido. Als ich das Gemälde sah, ist etwas mit mir geschehen, dagegen war ich machtlos. Ich bin glücklich, hier sein zu dürfen, bei dir, bei ihm. Hier kann ich das tun, was ich am meisten liebe – malen! Und er respektiert meine Arbeit. Das ist mehr, als jeder andere Mann mir geben könnte.«
Armido nahm ihre Hand und küsste sie. »Dann soll es so sein, kleine Schwester. Aber ich werde ihn im Auge behalten, darauf kannst du dich verlassen …«
Sie lächelte. »Wie fühlst du dich?«
Er biss in eine Marone und schloss die Augen. »Großartig. Maronen erinnern mich immer an Italien. Hat Pietro geschrieben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde ihm einen weiteren Brief schreiben. Irgendwann muss er mir verzeihen.«
Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie auf horchen. »Ja?«
Madame d’Étampes’ Dienerin schaute herein. Sie war
klein und rundlich und kümmerte sich fürsorglich um Armido. »Der Medicus will nach Euch sehen.«
»Er soll kommen.« Luisa schätzte Michel Remin, einen aus Marseille stammenden Arzt, der an den berühmten Universitäten von Montpellier und Padua studiert hatte.
Remin wirkte wie immer gut gelaunt, und seine hellen Augen blickten freundlich. Er trug ein schlichtes dunkles Wams und seine Arzttasche. Anders als einige seiner Kollegen, die am Hof dienten, legte er keinen Wert auf Äußerlichkeiten. Sein Freund Mellin de Saint-Gelais, einer von Franz’ Hofpoeten und studierter Arzt, hatte den Kontakt zu Madame d’Étampes und ihren Freunden hergestellt.
»Guten Tag, Monsieur Armido, Monsieur Luca!«, begrüßte Remin die Geschwister.
Luisa machte dem Medicus Platz und stellte das Tablett auf einen Tisch. Michel Remin wickelte die Verbände von Armidos Armen. Die Wunden, die von den Stacheln gerissen worden waren, hatten sich entzündet, und
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