Die Malerin von Fontainebleau
Zitaten von Augustinus und Hieronymus und vielen anderen Gelehrten angeführt. Der junge Diener zitterte bei der Erinnerung an den denkwürdigen Prozess.
»Was weißt du nicht? Auch wenn du denkst, es ist nicht wichtig, sag es mir! Und wenn es wichtig ist, bekommst du ein weiteres Goldstück!«
Andererseits war es seine Pflicht als guter Christ, alles zu sagen, was Ketzer überführen könnte, und der geheimnisvolle Mann hatte gesagt, dass er der heiligen Kirche angehöre, seine Identität aber nicht preisgeben könne, weil das zu viel Aufsehen erregte. »Euer Gnaden, da ist etwas, von dem ich glaube, dass es Euch nutzen kann.« Der junge Diener streckte die geöffnete Handfläche zum Gitter.
»Zuerst erzählst du!«
»Bei einer Gelegenheit bin ich in das Zimmer von Monsieur Paserini gekommen, und da stand er, der jüngere Bruder war das, und hat Dokumente gelesen. Auf einer Seite stand etwas von einer Resolution von Chanforan und dann etwas über eine Ohrenbeichte …«
Der Unbekannte hustete und schien nach Luft zu ringen. »Was? Sag das noch mal!«
» Resolution von Chanforan «, sagte der Junge stolz, weil er das komplizierte Wort behalten hatte.
»Was ist mit den Papieren geschehen?«
»Das kann ich nicht sagen, weil dieser Luca Paserini sie gleich niedergelegt hat, als er mich bemerkte, und später, als ich wieder ins Zimmer kam, waren sie fort.« Er hatte überall nach den Blättern gesucht, aber nichts finden können. Also hatte ihn sein Instinkt nicht getäuscht. Luca war ein Ketzer. Kein Wunder, er war ihm von Anfang an merkwürdig erschienen. Kam einfach ins Schloss, sah aus wie ein Bettler, und wenn er es recht verstanden hatte, hatte Monsieur Armido ihn nicht eingeladen.
Das Gitter wurde auf- und eine blinkende Münze hindurchgeschoben. Gierig riss der Junge sie an sich. Wenn er so weitermachte, käme er als reicher Mann in sein Heimatdorf zurück. Sein Vater würde stolz auf ihn sein.
»Wie alt bist du?«
»Siebzehn, Euer Gnaden.«
»Du bist ein kluger Bursche. Pass genau auf, was ich dir jetzt sage, und dann sehen wir uns an jedem ersten Montag eines Monats hier wieder. Wenn du deine Sache gut machst, gibt es jedes Mal ein Goldstück.«
Der Bursche glühte vor Stolz. So viel Vertrauen hatte noch nie jemand in ihn gesetzt. Sie würden sich noch wundern, wozu er fähig war, die feinen Leute.
Nachdem der Unbekannte ihn instruiert hatte, fragte er: »Wie ist dein Name?«
»Didier, Euer Gnaden.«
»Warte, bis du die Tür ins Schloss fallen hörst, dann gehst du deinen Aufgaben nach wie sonst auch.«
Didier hörte es rascheln und sah aus den Augenwinkeln eine dunkle Gestalt vom Beichtstuhl zwischen den Bänken der Tür zustreben. Seine Furcht vor Bestrafung und davor,
seine einträgliche Quelle zu verlieren, war jedoch zu groß, als dass er einen Blick riskiert hätte. Gehorsam kniete Didier am Beichtstuhl der Kapelle von Schloss Fontainebleau und wartete, bis der geheimnisvolle Mann zur Tür hinaus war. Lange, nachdem das Schloss geklackt hatte, erhob er sich, rieb sich die tauben Knie und streckte seinen knochigen Körper. Die Goldstücke in seinem Gürtel fühlten sich gut an, vielleicht würde er eines dafür benutzen, sich die Gunst der frechen Küchenmagd zu kaufen, auf die er ein Auge geworfen hatte, die ihn bislang jedoch mit Verachtung bestraft hatte. O ja, einige würden sich bald wünschen, ihn anders behandelt zu haben. Mit einem triumphierenden Lächeln auf dem blassen Gesicht verließ Didier die Kapelle.
XV
Les Tournelles
V on seinem Bett aus konnte er durch das Fenster auf die Straße sehen. Armido hob den Kopf, um einen Blick auf die Galerie zu werfen, die das Hôtel-Neuf seiner Gastgeberin mit Les Tournelles, dem königlichen Wohnsitz in Paris, verband. Von der Bastille waren sie nur einen Steinwurf entfernt, und die Rue Saint-Antoine, welche die Galerie überbrückte, führte direkt auf die Bastille zu. Anfangs hatte Armido die Nähe zum Gefängnis beunruhigt, doch Madame d’Étampes hatte ihm versichert, dass er hier nichts zu befürchten habe. Er sei ihr Gast und stehe unter dem Schutz Seiner Majestät.
Seufzend ließ Armido sich wieder in die Kissen sinken. Es hatte zu schneien begonnen. Dieser Januar war kalt und brachte Schnee und Eis. Es war ein Wunder, dass er noch lebte, und er hatte seine Rettung allein seiner Schwester und der Großherzigkeit von Madame d’Étampes zu verdanken. Kleine tapfere Luisa, sie hatte es nicht verdient, dass er sie weiter in Gefahr
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