Die Marionette
sich hier mit einer Freundin treffen«, fuhr er fort.
»Richtig«, bestätigte Valerie. »Ich suche sie schon.«
»Sie bat mich vor der Messe, Ihnen auszurichten, dass sie zum Friedhof vorausgegangen ist.«
»Sie ist auf dem Friedhof?«
Er sah sie an. »Sind Sie mit dem Auto hier?«
»Nein, ich …«
»Kommen Sie, ich fahr Sie schnell rüber. Unser Friedhof liegt am Ortsrand. Es ist ein bisschen weit zu Fuß.«
Er hatte seinen Wagen gleich neben der Kirche geparkt. Augenblicke später erreichten sie den Friedhof, durch eine locker stehende Baumreihe hindurch konnte Valerie die dahinter liegende Rennbahn sehen. »Ich danke Ihnen«, sagte sie zu dem Organisten und schüttelte ihm zum Abschied die Hand.
»Keine Ursache«, erwiderte er lächelnd.
Valerie wagte einen flüchtigen Blick zurück. Sie entdeckte keine Spur von dem Taxi, mit dem sie gekommen war. Keine Spur von Martinez.
Sie war nicht die Einzige, die nach dem Gottesdienst den Friedhof besuchte. Einige ältere schwarzgekleidete Frauen legten Blumen auf Gräbern ab, etwas weiter entfernt bemerkte Valerie auch eine Familie mit kleinen Kindern. Sie blickte sich suchend um und entdeckte Katja schließlich in der Nähe einer kleinen Kapelle. Sie stand hinter der halbhohen Friedhofsmauer im Schatten einer Baumgruppe. Valerie erkannte sie sofort an ihrer hochgewachsenen Gestalt und dem Schopf hellblonder Haare, die sich deutlich vor dem dunklen Grün der Blätter abhoben. Und sie bemerkte das Aufblitzen eines Fernglases im Sonnenlicht. Zwischen den Bäumen hindurch bot sich ein freier Blick auf das Rennbahngelände und die Tribünen. Langsam ging Valerie auf Katja zu und fragte sich, wie Martinez ihr unbemerkt auf den Friedhof folgen wollte, als sie ihn in der Tür der Kapelle entdeckte. Wortlos schüttelte er den Kopf, und Valerie vermied es, in seine Richtung zu blicken.
Von der Rennbahn her wehte die aufgeregte Stimme des Sprechers herüber, der gerade den Zieleinlauf eines Feldes kommentierte. Valerie konnte den Pulk der Pferde sehen, die leuchtenden Farben der Jockeys. Dahinter waren die Rasenflächen und die Tribünen voll mit Menschen. Es war schönstes Wetter. Es war ein Feiertag. Valerie wurde übel bei dem Gedanken, dass Bender als lebende Bombe dort irgendwo zwischen ihnen saß.
Sie erreichte die Mauer. Katja trat zwischen den Bäumen dahinter hervor. »Hallo, Valerie.« Sie sah angegriffen aus, trug einen Verband um den rechten Oberarm. Eine lange Schramme zog sich über ihre Wange bis unter den Haaransatz, und das sonst so leuchtende Blau ihrer Augen schimmerte nur noch matt.
»Hallo, Katja. Ich bin froh, Sie zu sehen«, erwiderte Valerie und blieb stehen. Bleib auf Abstand, hatte Eric ihr immer wieder eingebleut. Sie spürte Katjas Unsicherheit. Ihr Zögern. War da ein Zittern in ihren Händen?
»Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden und Sie hier herauszuholen«, sagte Valerie. »Ich habe Ihnen das schon einmal versprochen und habe Wort gehalten. Erinnern Sie sich?«
Katja schob ihre Hände in die Taschen ihrer Bundeswehrhose. »Ist es dafür nicht zu spät?«, fragte sie, doch Valerie meinte, einen Funken Hoffnung in ihrer rauchigen Stimme zu hören.
»Es ist schwieriger als gestern«, erwiderte Valerie ehrlich. »Aber nicht unmöglich.« Sie machte einen Schritt auf Katja zu.
»Bleib auf Abstand«, hörte sie Erics Stimme in dem winzigen Funkempfänger in ihrem Ohr. Sie waren also auch da, irgendwo, beobachteten sie. Valerie blieb stehen. »Es ist eine Frage der Verhandlungen«, fuhr sie fort. »Ich weiß, dass Sie über Informationen verfügen, Katja, für die einige Entscheidungsträger in Berlin bereit sind, Zugeständnisse zu machen, damit sie nicht an die Öffentlichkeit gelangen.«
Katja zog die Schultern hoch, als wäre ihr kalt.
Valerie machte einen weiteren Schritt auf sie zu und streckte über die Mauer hinweg ihre Hände in Katjas Richtung aus. »Kommen Sie«, sagte sie. »Gemeinsam können wir mehr erreichen als Sie allein. Gemeinsam können wir auch einen Minister stürzen. Aber so etwas braucht Zeit, das lässt sich nicht erzwingen.« Sie wies in Richtung des Rennbahngeländes. »Nicht auf diese Weise. Es gibt andere Wege. Andere Möglichkeiten als einfach nur rohe Gewalt.«
Katja rührte sich nicht, und Valerie widerstand dem Bedürfnis, sie zu drängen, ihr zu sagen, wie wenig Zeit ihnen nur noch blieb.
»Warum machen Sie das?«, fragte Katja schließlich. »Warum kämpfen Sie? Das ist nicht Ihr Krieg!«
»Ich
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