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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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und Musik eingespielt wurde. Nicht jedoch Gerwin Bender. Wie paralysiert saß er auf der Tribüne und zwang sich zur Ruhe. Etwas war passiert. Der Sprengstoffgürtel war mit einem Mal doppelt so schwer, drückte gegen seine Rippen und in seinen Rücken, nahm ihm den Atem. Bender presste die Hände auf seine Oberschenkel und versuchte vergeblich, das Zittern seines Körpers unter Kontrolle zu bringen. Mit wachsendem Entsetzen beobachtete er, wie Mitarbeiter des Rennplatzes mit schnellen, sicheren Handgriffen den Zaun entfernten, der die Rasenflächen vor den Tribünen vom Geläuf trennte. Die Musik erstarb, und die Stimme des Rennbahnsprechers hallte über das Gelände: »Meine Damen und Herren, wir möchten Sie bitten, Ihre Plätze vorübergehend …«
    Was er weiter sagte, hörte Bender nicht. Er sah nur einen hageren grauhaarigen Mann im Anzug auf sich zueilen, die Treppe der Tribüne hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Sie hatten Augenkontakt, und Bender saugte sich förmlich an seinem Blick fest, während er vage wahrnahm, wie die Menschen um ihn herum aufstanden und sich allmählich entfernten, wie das Auf und Ab ihrer Stimmen leiser wurde und ihre Gespräche verklangen.
    »Herr Bender?«
    Bender starrte den Mann an.
    »Jochen Schavan, BKA . Wir haben die Lage unter Kontrolle. Ihnen wird nichts passieren. Wir werden die Bombe entschärfen.«
    In diesem ersten Moment war Bender nicht in der Lage zu antworten. Überhaupt zu reagieren. Er spürte Schavans Hand auf seinem Arm, den leichten Druck seiner Finger. »Herr Bender, geht es Ihnen so weit gut?«
    Bender gelang ein Nicken.
    »Wir werden jetzt das Gelände räumen, und dann befreien wir sie von dem Gürtel.« Er sagte noch mehr, doch es gelang Bender nicht, sich darauf zu konzentrieren. Völlig irrelevante Dinge fesselten seine Aufmerksamkeit: Eine Papierserviette, die, getragen von einem Windstoß, die nun fast leere Tribüne herunterschwebte wie ein großer weißer Schmetterling, Staub, der in einem Sonnenstrahl tanzte, und die plötzliche Stille, die sie umgab. Und endlich fand er seine Sprache wieder. »Was … was ist passiert?«
    »Wir haben Katja Rittmer gefunden«, sagte Schavan. »Wir haben den Schlüssel für den Gürtel.«
    Schwarzgekleidete Polizeibeamte, die schwere große Platten trugen, tauchten in Benders Blickfeld auf, stellten sie am Fuß der Tribüne auf, so dass ihm die Sicht auf das Geläuf versperrt wurde. Alles verlief schweigend, konzentriert. Handgriffe, die saßen und geübt waren.
    Bender sah Schavan an. »Es gibt auch einen Code. Nicht nur einen Schlüssel.«
    Schavan antwortete nicht.
    Der Code ist nur in meinem Kopf gespeichert. Du solltest beten, dass niemand auf die Idee kommt, mich zu töten.
    Benders Blick flog zu den großen Platten, die nun fast fertig montiert waren. Sie sollten nicht die Detonation abhalten. Nur die Blicke. Er hätte nie gedacht, dass Gewissheit sich so kalt anfühlen konnte. Er würde sterben.
    ***
    Iffezheim bei Baden-Baden, Deutschland
    Eric Mayer betrachtete den schlaksigen jungen Mann, der unruhig auf seinem Stuhl herumrutschte. »Sie haben diesen Zünder modifiziert«, sagte er. »Sie wissen, wie wir den Code umgehen können.«
    Paul Horinsky schob seine Brille zurecht und beugte sich vor. Er war nicht der Typ, der gerne ins Licht gezogen wurde, Aufmerksamkeit auf sich spürte. Er war lieber allein mit sich und seiner Elektronik in seiner Bastelstube in dem Stuttgarter Hinterhof, in dem sie ihn aufgestöbert hatten. »Ich … ich bin mir nicht sicher«, stammelte er jetzt. »Es ist schon eine Weile her …« Er griff nach der Cola, die neben ihm stand, und nahm einen nervösen Schluck. Er wusste nicht, dass nur wenige hundert Meter entfernt ein Leben davon abhing, dass er sich konzentrierte. Dass er keinen Fehler machte.
    »Schauen Sie sich alles genau an«, beruhigte ihn Mayer.
    Martinez stand mit verschränkten Armen am Fenster der Polizeiwache und beobachtete schweigend die Situation. Mayer spürte seine Ungeduld. Beinahe eine Stunde hatten sie auf Horinsky gewartet, bis er aus Stuttgart per Hubschrauber hergebracht worden war. Ein V-Mann hatte ihnen den Tipp gegeben. »Er ist ein Spinner, hat sich in der Szene aber einen Namen gemacht, wenn es mehr als nur Standard sein soll«, hatte dieser gesagt. Horinsky hatte den Zünder sofort erkannt, sich aber zunächst geweigert zu kooperieren, aus Angst vor einer möglichen Gefängnisstrafe für seine Vergehen. Erst als ihm zugesichert

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