Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
Vom Netzwerk:
seinem Platz entfernte und sobald jemand versuchen sollte, den Sprengstoffgürtel zu entfernen. Für die Entschärfung waren ein Code und ein Schlüssel notwendig. »Der Code«, so hatte sie ihm versichert, »ist nur in meinem Kopf gespeichert. Du solltest beten, dass ich ihn nicht vergesse und niemand auf die Idee kommt, mich zu töten.« Natürlich gab es auch die Möglichkeit der direkten Fernzündung. »Falls ich erfahre, dass du die Polizei rufst, bist du tot«, hatte sie ihn gewarnt. »Und nicht nur du.« Seit einer Stunde war sie nun fort, und die Tribüne hatte sich bis auf den letzten Platz gefüllt. Nur der Sitz neben ihm war frei, dort, wo Katja Rittmer gesessen hatte. »Bitte, gehen Sie«, hatte er anfangs noch gemurmelt, wenn sich jemand in seine Nähe setzte. Aber natürlich hatte niemand auf ihn gehört.
    »Entschuldigen Sie, aber ich glaube, Sie sitzen auf meinem Platz«, sagte in diesem Augenblick eine Frau vor ihm. Bender brach der Schweiß aus. »Das ist unmöglich«, erwiderte er. Er schätzte sie um die vierzig, sie trug ein cremefarbenes Kostüm und schützte mit der Hand ihren ausladenden Hut vor einer plötzlichen Windbö. Sie warf einen Blick auf ihre Karte, hielt sie ihm vor die Nase. Platznummer und Reihe entsprachen der seinen. Ungläubig starrte er darauf.
    »Das ist dieser Platz«, beharrte sie. »Wo ist denn
Ihre
Karte?«
    Die Menschen um sie herum sahen auf.
    »Tut mir leid«, erwiderte Bender mit gepresster Stimme, »da muss ein Irrtum vorliegen.« Er wies auf Katja Rittmers Platz an seiner Seite. »Dieser ist noch frei«, sagte er vor lauter Verzweiflung, obwohl er ihr am liebsten die Wahrheit ins Gesicht geschrien hätte.
    »Das ist der Platz meines Mannes. Er kommt gleich nach.«
    Bender räusperte sich. »Hören Sie«, begann er und versuchte, ruhig zu bleiben, während er gleichzeitig spürte, wie ihm der Schweiß unter dem Sprengstoffgürtel heraustropfte und in den Bund seiner Hose lief. »Ich werde hier nicht aufstehen.« Doch dann begriff er plötzlich die Chance, die die Situation bot.
    »Ich werde mich über Sie beschweren!«, schimpfte die Frau.
    »Gern«, erwiderte er. »Bitte, wenden Sie sich an einen der Security-Mitarbeiter.« Er wies zum Fuß der Tribüne. »Ist da nicht einer?«
    Er hatte die Rechnung ohne Katja Rittmer gemacht. »Komm nicht auf dumme Gedanken, Bender«, hörte er plötzlich ihre Stimme in seinem Ohr. »Ich beobachte dich.«
    Der Mann der Security kam auf einen Wink zu ihnen und warf einen Blick auf die Karte der Frau. »Ihr Platz ist auf der Tribüne nebenan«, sagte er zu ihr. »Das passiert schon mal.«
    Ihre hastig gestammelte Entschuldigung ging ebenso in dem allgemeinen Gemurmel unter wie Benders wortlose Bemühungen, den Mann auf sich aufmerksam zu machen. Für einen Moment war er versucht, einen Herzanfall zu imitieren, irgendetwas, das Aufmerksamkeit erregte, aber Katja hatte keinen Zweifel darüber gelassen, was dann passieren würde. Er blickte in die Gesichter der Besucher um sich herum, hörte ihr Lachen, ihre unbeschwerten Gespräche, spürte die Spannung, als das nächste Feld auf die Zielgerade einbog. Wie viele waren es, die diese Tribüne fasste? Fünfhundert? Sechshundert? Wenn er einen Fehler machte, waren sie alle tot.
    ***
    Graf-Zeppelin-Kaserne, Calw, Deutschland
    Mayer starrte auf die beiden Fotografien, die das Display seines Notebooks wiedergab. Auf den Text darunter:
     
    Ich erwarte Valerie Weymann – allein – um 11:30 Uhr an dem vereinbarten Treffpunkt.
     
    Nichts weiter. Aber das war auch nicht nötig. Bild und Text sprachen für sich.
    »Das ist definitiv Gerwin Bender. Es gibt keinen Zweifel. Die Kollegen im BKA haben das Foto durch den Scanner laufen lassen«, sagte Schavan und zeigte auf die Aufnahme, die den Vorsitzenden der Larenz-Werke auf der bis auf den letzten Platz gefüllten Haupttribüne der Galopprennbahn in Iffezheim zeigte. Unten rechts informierten Datum und Uhrzeit darüber, dass die Fotografie vor noch nicht einmal einer halben Stunde aufgenommen worden war.
    Für das zweite Foto benötigten sie keine Verifizierung aus Wiesbaden. Jeder erkannte Bender, der dort mit vor Angstschweiß glänzendem Gesicht sein Jackett aufhielt. Darunter war ein Sprengstoffgürtel zu sehen, der sich einmal um seinen Torso zog. »Haben wir zu diesem Bild schon eine Rückmeldung, um was für einen Zünder es sich handelt?«, fragte Mayer angespannt.
    »Die Kollegen im technischen Labor sind dran«, antwortete Schavan.

Weitere Kostenlose Bücher