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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Kriegserklärung gegen Rußland ausgesprochen, aber die Truppen verließen Öhringen. Der Feldzug hatte begonnen.

 
Kälte
    Aus dem Tagebuch von Johannes Gerter:
    März, 1812
    Den 11. und 12. März verließ das Armee-Corps in vier aufeinanderfolgenden Colonnen frohen Muthes den heimatlichen Boden, und fand an den weinreichen Ufern der Tauber und auf dem gesegneten Boden des Würzburg'schen Gebietes, durch welches der Marsch einige Tage dauerte, äußerst gastliche Aufnahme. Die freundlichen lebensfrohen Franken wetteiferten in Gastfreundschaft gegen Offiziere und Soldaten, und selten verließen sie das gastliche Quartier, ohne eine Flasche vortrefflichen Eilfers und kalten Braten auf den Weg zu erhalten. Die jeweiligen Halt auf den Märschen bildeten dann längs der Straße ein großes förmliches Trinkgelage mit kalter Küche. Aber auch schöner zeigt sich dem schauenden Blicke nicht leicht eine Gegend des südlichen Deutschlands, als das gesegnete Franken. Von äußerst munteren, gemütlichen Menschen bewohnt, scheint die Natur daselbst in allen Erzeugnissen ihr Füllhorn doppelt zu leeren. Solange der Zug durch diese Gegenden führte, waren unsere Leute durch die reichlichen Weinspenden des geistreichen Eilfers in steter Begeisterung, und frohe Scherze wechselten mit Gesang ununterbrochen während dem Marsche.
    Vom 19. bis zum 22. März betrat das Armee-Corps die Gebiete der sächsischen Fürstentümer. Mit diesem Eintritt änderte sich wie durch einen Zauberschlag die bisherige frohe Stimmung, und tiefer Ernst, nebst stürmischer winterlicher Witterung, traten plötzlich an die Stelle froher Laune und des heitern Himmels.
    Die Gegenden, wie auch die Quartiere, bildeten einen grellen Contrast gegen die der vorigen Tage. Gebirgig und rau , die Einwohner größtenteils arm, aber freundlich und gutmütig, fanden die Soldaten die Spenden, die ihnen gereicht wurden, kaum nothdürftig ; nur selten war ein Trunk Bier mit denselben verbunden.
    Beim Abmarsch aus Öhringen am 12. März gab es kaum jemanden, der wehmütig zurückblickte. Die Soldaten, des Wartens in dem kleinen Städtchen überdrüssig, begrüßten jeden Schritt, der sie näher an den Feind heranbringen und ihnen Gelegenheit geben würde, das bei so viel Exerzieren Erlernte endlich anzuwenden.
    Dabei war es überhaupt noch nicht sicher, ob der Krieg wirklich ausbrechen würde, aber die meisten Soldaten verdrängten den Gedanken, daß sie möglicherweise nur eine gemütliche Wanderung ostwärts machen und dann unverrichteter Dinge wieder zurückkehren würden. Sie schenkten auch den Gerüchten keinen Glauben, daß Napoleon mit Alexander immer noch freundschaftliche Briefe wechselte, in denen sich die beiden Herrscher angeblich ›Bruder‹ nannten. Matthäus Schreiber fielen dabei sofort Kain und Abel ein und er zweifelte keinen Augenblick daran, daß es Krieg geben würde.
    Das Marschieren gefiel Mössner besser als das Exerzieren. Keine Kommandos rissen ihn aus den Gedanken, denen er beim Gehen nachhing. Er fragte sich jetzt, ob es klug gewesen war, Clärle mitzunehmen. Ihm fiel seine Mutter ein, die ständig darüber klagte, daß sie unter ihrem Stand geheiratet hätte. Daß sein Vater sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geheiratet hätte, sie sich deshalb auf einem elenden Bauernhof totarbeiten mußte und daß nur ihr Sohn sie aus diesem Elend erretten könne. Sie hatte immer schon große Hoffnungen in ihn gesetzt.
    Wie gern hätte Franziska Mössner ihren einzigen Sohn mit einer reichen Erbin verheiratet gesehen! Wie entsetzt wäre sie, würde er Clärle heimführen! Aber wollte er Clärle denn überhaupt heiraten? Er war noch viel zu jung und außerdem zweifelte er daran, daß ein Mädchen, das einem Soldaten so schnell nachgegeben hatte, sich zur Ehefrau eignete. Die hätte es doch mit jedem getrieben, dachte er plötzlich und erschrak über die tiefen Gefühle, die er ihr zu Beginn entgegengebracht hatte. Seine Unerfahrenheit hätte ihn beinahe in eine Falle gelockt! Er hatte gehört, daß die Assenheimerin ihren Korporal länger als ein Jahr hatte schmoren lassen. So gehörte sich das!
    »He, schau nicht so trübsinnig drein, die ganze Welt liegt vor uns!« wurde Mössner aus seinem Tagtraum gerissen. Er blickte zu dem jungen Mann, der neben ihm ausschritt. Franz Ziegler aus Leonberg war – von Schreiber abgesehen – der einzige Soldat, dem er in den vergangenen Wochen etwas nähergekommen war.
    Ziegler, ein vierschrötiger Kerl mit

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