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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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von einer Million, für Napoleon in den Krieg zögen und da würde man auf ein Rädchen wie ihn sicher verzichten können. Sinn hatte der ganze Feldzug für ihn nur, wenn er zu Ruhm und Ehren und möglichst auch noch zu einem Vermögen kommen würde. Aber wie sollte er sich denn unter so vielen, darunter unzähligen erfahrenen Soldaten herausheben können, so auffallen, daß man auf ihn aufmerksam würde? Es war doch viel wahrscheinlicher, daß er genauso unehrenhaft krepieren würde wie der Soldat im Wald. Davon profitierten weder Napoleon noch er. Er wollte sich auszeichnen und befördert werden, aber er hatte keine Idee, wie er sich diesem Ziel nähern könnte. Wahrscheinlich sind meine Gedanken eingefroren, dachte er, jetzt will ich eigentlich nichts weiter als ein warmes Bett. Aber niemandem wollte in jener Nacht so recht warm werden.
    Aus dem Wirtshaus neben dem Schuppen, in dem Juliane mit Clärle Schutz vor dem rauhen Wind gefunden hatte, drangen die lauten Stimmen der Offiziere, die sich das saure Bier schmecken ließen. »Die haben's gut, können im Warmen sitzen und in richtigen Häusern schlafen«, klagte Clärle, die sich die kalten Finger an einem kleinen Kocher zu wärmen versuchte. Sie bereute es bereits bitter, daß sie mitgezogen war. In Öhringen hätte sie vielleicht ein paar Wochen lang Spießruten laufen müssen, aber auch das wäre vorbeigegangen und sie hätte dabei nicht frieren müssen.
    »Dann mußt du dich halt mit einem Offizier einlassen«, gab Juliane herzlos zurück. Auch sie ärgerte sich jetzt, daß sie das Mädchen aus Öhringen mitgenommen hatte. Sie war nicht nur keine Hilfe, sondern vielmehr eine Last und jammerte obendrein unablässig. Sie hätte auf Matthäus hören sollen.
    Juliane konnte es Georg Mössner nicht übelnehmen, daß er sich von dem ununterbrochen klagenden Mädchen fernhielt, und am liebsten hätte sie Clärle wieder zurückgeschickt. Sie klebte an ihr wie Pech und es störte Juliane auch, daß sie mit Matthäus kaum noch allein sein konnte.
    Sie hatte ihren Mann in den vergangenen Wochen besser kennengelernt und sagte sich immer, wie glücklich sie sich schätzen konnte, ihn geheiratet zu haben. Sie stellte sich die Aufgabe ihn liebenzulernen, und jedesmal, wenn sich Gerters Bild vor ihr geistiges Auge schob, versuchte sie die damit verbundenen Gefühle auf ihren Mann zu übertragen. Manchmal schien ihr das ganz ordentlich zu glücken und es konnte vorkommen, daß sie einen halben Tag lang nicht an Johannes Gerter dachte. Doch als Matthäus ihr erzählte, er wüßte nicht, wann der Leutnant, der vorausgeritten wäre, wieder zu ihnen stoßen würde, konnte sie ihre Enttäuschung nicht verbergen. »Ich weiß, er ist einer deiner liebsten Kunden«, meinte Matthäus unbefangen, »mir fehlt er auch. Meine Vorgesetzten nehmen sich nicht die Mühe, mir genau zu erklären, wie unsere Lage aussieht. Leutnant Gerter erzählt immer so viel.«
    Er brauchte Informationen, wollte wissen, welche Pläne in den oberen Militäretagen geschmiedet wurden und konnte sich einfach nicht mit den kärglichen Auskünften zufriedengeben, die ihm die Offiziere wie Brocken zuwarfen. Manchmal hatte er den Eindruck, als sei er Teil einer riesigen europaweiten Verschwörung, von deren Zielen er nicht einmal eine vage Ahnung hatte. Er wußte, daß Hunderttausende von Westen nach Osten unterwegs waren und daß an den Grenzen Rußlands schon seit dem vergangenen Jahr die dortigen Streitkräfte zusammengezogen worden waren. Würde es gleich hinter der polnischen Grenze zu einer Schlacht bisher unbekannten Ausmaßes kommen? Wie sollte es möglich sein, dann noch die Übersicht zu behalten? Er brauchte jemanden wie Gerter, der ihm das Unbegreifliche erklären könnte.
    »Ist es denn so wichtig zu wissen, was die hohen Herren vorhaben?« fragte ihn Juliane, ein bißchen eifersüchtig, daß Matthäus mit Gerter so fachmännisch über Politik reden konnte. »Für uns ändert sich dadurch doch nichts. Du kriegst deinen Befehl und mußt dich daran halten. Ich kaufe meine Ware und muß sie mit so viel Gewinn wie möglich wieder loswerden. Das ist doch alles. Du mußt dich selber einfach als rumwuselnde Ameise sehen, dann ist es eigentlich nur noch wichtig, nicht von einem Riesenstiefel zertreten zu werden. Das Problem ist, daß sich alle für wichtig halten. Jeder von uns ist so wichtig wie jede Ameise. So ist's.«
    Aber ihm wollte es einfach nicht gelingen, die Welt im Ameisenformat zu sehen.
    Am 30.

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