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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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hatte, sie zu verstehen.
    »Wie Sie sehen, haben Sie sich geirrt«, erwiderte er, ohne sich vom Fleck zu rühren.
    »Spielen Sie Klavier?« fragte sie.
    »Nein, aber ich höre gern zu.«
    »Und welchen Komponisten schätzen Sie am meisten?«
    In Mössner arbeitete es. Er hatte keine Ahnung, was ein Komponist war, aber er wollte sich vor der jungen Dame keine Blöße geben. Er deutete also auf das einzige Gemälde im Raum, das einen Herrn von strengem Äußeren, mit fleischigem Gesicht und weißer Lockenperücke zeigte.
    »Den da.«
    »Bach? Der hat hier gelebt, wußten Sie das? War Kantor an der Thomaskirche. Und wer sind Sie überhaupt?«
    »Georg Mössner.«
    »Was, kein richtiger Offizier? Nur ein Soldat?«
    Sie lachte verächtlich, öffnete ein Fenster und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht hin und her, als wollte sie einen üblen Geruch vertreiben.
    »Ich habe Weinberge in Leonberg, das ist in Württemberg«, log Mössner, der bei näherem Hinsehen erkannt hatte, daß das Mädchen höchstens sechzehn Jahre alt sein konnte. Sie scheint etwas kindlich zu sein, sie wird mir die Geschichte schon glauben, dachte er.
    »Ah, daher sprechen Sie so komisch«, nickte sie. Mössner unterdrückte ein Lachen.
    »Unser König spricht genauso«, erwiderte er.
    Zum ersten Mal sah sie ihn an.
    »Haben Sie denn Ihren König schon reden hören?«
    »Freilich!« rief er. »In Öhringen … und dann hat er auch mal mit seiner Gemahlin meine Weinberge besucht. Er weiß einen guten Tropfen zu schätzen, unser König.«
    »Das haben Könige so an sich«, sagte sie lässig. »Mein Papa hat viele getroffen auf seinen Reisen. Haben Sie die Tiere in der Bibliothek gesehen? Die meisten sind Geschenke von Königen und Prinzen. Und in Moskau geht er beim Zaren ein und aus. Da hat mein Vater nämlich eine Filiale.«
    »Ihr Herr Vater ist wohl ein sehr wichtiger Mann.«
    »Das stimmt.«
    Sie trat einen Schritt näher, musterte Mössner von oben herab und meinte: »Er hat sogar Napoleon gesehen.«
    »Und zieht er jetzt auch in den Krieg?« wollte Mössner wissen. Sie lachte.
    »Natürlich nicht! Er ist doch Kaufmann und außerdem zu alt, aber er hat viel Geld für den Feldzug gestiftet.«
    »Obwohl er in Moskau eine Filiale hat und beim Zaren ein und aus geht?« fragte Mössner mißtrauisch.
    »Das hat damit doch nichts zu tun! Man muß auf beiden Seiten ein Eisen im Feuer haben, sagt Papa immer. Das ist die Kunst des Kaufmanns, aber das verstehen Sie sicher nicht.«
    »Ich verstehe nur, daß er bald nicht mehr beim Zaren ein und aus gehen wird«, gab Georg zurück. »Vielleicht macht sich Napoleon selber zum Zar, wenn wir gewonnen haben.«
    »Na, dann wird er doch wieder beim Zaren ein und aus gehen! Wie lange werden Sie eigentlich hier ein und aus gehen?«
    Mössner zuckte die Achseln. »Ein paar Tage, ein paar Wochen, keine Ahnung.«
    Mißbilligend blickte sie auf seinen Fuß und er beeilte sich zu erklären, daß er verletzt sei und ihn daher hochgelegt habe.
    »Eine erste Verwundung?« fragte sie, fast ein wenig aufgeregt. »Gibt es denn schon richtig Krieg?«
    Mössner zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten, nur wissend zu lächeln.
    In dem Augenblick flog die Tür auf. Clärle warf einen Blick ins Zimmer und knallte die Tür sofort wieder zu.
    »Wer war das denn?« fragte das Fräulein.
    »Eine meiner Mägde«, gab Mössner zurück und nach kurzer Überlegung: »Ich schenke sie Ihnen.«
    »Was?«
    »Sie ist eine großartige Küchenhilfe und kann hart arbeiten«, plapperte er drauflos. »Sie könnte auch Ihre persönliche Zofe sein.« Von so etwas hatte seine Mutter immer geträumt und das Aufblitzen in den Augen des Mädchens verriet ihm, daß ihr der Gedanke gefiel.
    Mössner konnte es kaum fassen, daß Clärle ohne langes Überlegen zusagte. Aus reinem Übermut hatte er ihr befohlen, in Leipzig zu bleiben. Er hatte damit gerechnet, daß sie ihn anflehen würde, bei ihm bleiben zu dürfen, und war beinahe enttäuscht, daß sie seinem Befehl voller Begeisterung folgte.
    »Zofe!« amüsierte sich Juliane, als ihr Clärle stolz mitteilte, daß sie sich verbessern wollte. »Weißt du überhaupt, was das ist?«
    »Da muß ich mir die Hände nicht so kaputtmachen wie bei dir und niemand wird von mir verlangen, Ziegen zu hüten«, erwiderte Clärle und Juliane, froh, das Mädchen loszuwerden, gab ihr recht.
    Auf dem Weg nach Frankfurt an der Oder machte Juliane ausnehmend gute Geschäfte, denn das Korps zog durch eine arme Gegend,

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