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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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derselben aufgestellte russische Corps unter Wittgenstein zu beobachten. Bis hierher trafen wir längs der Heerstraße eine Menge todter Menschen und Pferde, die bei der herrschenden Hitze die Atmosphäre weithin verpesteten. Sie waren uns die bedeutungsvollen Wegweiser, welchen Weg vor uns die Armee-Corps genommen hatten. Wollten wir selbst nicht ihre Zahl vermehren und vor Hunger umkommen, waren wir genöthigt , täglich Seiten-Märsche von der großen Heerstraße ab zu machen, und in den nächsten Dörfern Subsistenz-Mittel aufzusuchen, was immer mit Gefahr verbunden war. Den ersten August marschieren wir auf der Straße nach Witepsk , wo es mit todten Menschen und Pferden wie gesät lag. Niemand dachte an ihre Beerdigung. Die Hitze war unerträglich, und in Folge dessen die Luft längs dem 4 Stunden langen Schlachtfelde vergiftet. Auch Napoleon brach nach vierzehntägigem Aufenthalt mit seinen Garden von Wilna auf und dirigirte sich mit denselben auf der großen Straße nach Witepsk . In Wilna selbst residierte ein französischer Gouverneur, und die Stadt bildete in kurzer Zeit den Haupt-Waffenplatz der Großen Armee. In dem großen Armee-Hospital waren mehr als 15.000 Kranke der Armee untergebracht. Eine Einrichtung einer litthauischen National-Garde wurde eifrigst betrieben. Dieses schön equipirte Regiment wurde zum Polizeidienst in der Umgegend der Stadt verwendet, um die zahlreichen Ausreißer der spanischen, portugiesischen, neapolitanischen und illyrischen Regimenter, welche seit dem Übergange über den Niemen in Masse desertirten , und im Rücken der Armee ihr Unwesen trieben, zu Paaren zu treiben. Diese Ausreißer bildeten zum Theil kleine Trupps, organisirten sich als förmliche Räuberbanden, brandschatzten, plünderten, mordeten.
    Nun führe ich die ersten bedeutenden Gefechte an. Den 5. Juli bestand das 3te württembergische Reiter-Regiment ein Gefecht mit der Nachhut des Feindes, am 14. Juli wurde das 11te und 12te französische Jäger-Regiment in dem Dorfe Druja an der Duna in der Nacht von feindlichen Husaren und Kosaken überfallen. Den General Genié selbst traf, schwer verwundet, das Loos der Gefangenschaft, den 24. Juli lieferte der feindliche General Ostermann dem Reiterei-Corps des Königs von Neapel bei Ostronowo ein bedeutendes Gefecht, bei dem von beiden Seiten viel Blut floß und das nach einer Pause am 25. am 26. weiterging und erst am 27. beendet war. Dies verursachte den von beiden Seiten ungefähr gleichen Verlust von wenigstens 5000 Mann.
    Obwohl außer Gerter niemand an den Erfolg des Unternehmens glaubte, standen am frühen Morgen des 16. Juli tatsächlich zehn Pferde und acht Wagen bereit. Auf einem durfte Eli Abramow Platz nehmen, den es überhaupt nicht zu stören schien, daß hinter ihm wieder ein württembergischer Wachmann mit entsichertem Gewehr saß.
    Juliane, die ihren eigenen Wagen lenkte, fuhr hinter dem Trupp her. Sie beobachtete, wie schwer es vielen der geschwächten Soldaten fiel, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und nach einem vierstündigen Marsch in glühender Hitze durch unwegsames Gelände forderte sie ihren Mann auf, eine Rast einzulegen.
    »Sonst können wir alle gleich wieder ins Lazarett verfrachten«, meinte sie und schüttelte den Kopf, als sie den Trompeter Fleiderer sah, der nicht davon abzubringen gewesen war, sein Instrument mitzuschleppen.
    Die Soldaten zogen sich zum Ausruhen in den Schatten eines Birkenwäldchens zurück. Die Pferde wurden zu einem Pfuhl mit schlammig trübem Wasser geführt, wo sie ihren Durst stillen konnten.
    Woher die Kosaken gekommen waren, hätte hinterher niemand zu sagen vermocht. Plötzlich waren die acht Reiter da und noch bevor einer der Württemberger im Wäldchen zu seinem Gewehr greifen konnte, hatten sie bereits die Pferde zusammengetrieben und waren mit ihnen davongeritten.
    Eli Abramow rief Gerter etwas zu.
    »Nicht schießen!« befahl dieser und forderte Fleiderer auf, sein Instrument auszupacken. Als die Pferde die wohl bekannten Laute hörten, wechselten sie die Richtung und stürmten, von den Kosaken verfolgt, wieder auf das Birkenwäldchen zu. Die Kosaken, die nicht erkennen konnten, wie viele Soldaten sich darin verborgen hielten, feuerten einige Schüsse ab, machten aber dann ohne die zuvor erbeuteten Pferde kehrt.
    Die Spannung entlud sich in großem Gelächter und Fleiderer wurde zum Helden des Tages ausgerufen.
    »Was beweist, daß ein Musikinstrument manchmal mehr ausrichten kann als eine Kanone«,

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