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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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meinte Gerter, der beim Weitermarsch neben Juliane herritt. »Es war übrigens Herr Abramow, dem dieser vorzügliche Gedanke kam«, setzte er hinzu und sah Juliane von der Seite her an.
    »Deswegen müssen wir ihm noch lange nicht vertrauen«, gab sie etwas patzig zurück. Wieder eine neue Assenheimerin, wunderte sich Gerter. Ganz früher war sie herzlich, liebenswürdig, vielleicht sogar ein wenig kokett, dann heiratete sie, begann sich für Politik zu interessieren und wurde kühl, beinahe unnahbar. Ganz anders als in Evé, da war sie wunderschön, selbst mit ihren zerrissenen Kleidern, dem verschmierten Gesicht, den wilden Haaren und dem wilden Herzen, so tapfer, so verzweifelt und so glücklich, daß ich zu ihrer Rettung kam. Wie gut, daß der Junge da war! Ich hätte es mir nie vergeben können, wenn ich diese Situation ausgenutzt hätte. Aber nah dran war ich schon. Wie würde sie mich jetzt hassen – und zu Recht! –, wenn ich diesem verdammten Trieb nachgegeben hätte! Das ist die Entwöhnung, zu lange kein Weib gehabt, den Teufel in mir, den muß ich austreiben, sonst geschieht noch ein Unglück. Aber nicht mit der Assenheimerin. Nie! Nie! Entzückend, wie sie die Lippen wieder schürzt! Frech ist sie jetzt, beinahe dreist, so als ob ihr nichts mehr etwas ausmacht. Wahrscheinlich ist das ihre Rettung, nach allem, was sie durchgemacht hat.
    Warum ritt er nur so schweigend neben ihr her? Juliane zerbrach sich den Kopf, was sie sagen sollte, war voller Angst, daß sich Johannes tödlich mit ihr langweilte.
    »Stimmt es, daß der Kronprinz so krank ist, daß er nach Hause muß?« fragte sie, nur um etwas zu sagen.
    »Er soll erst ins Spital nach Wilna gebracht werden«, antwortete Gerter und hing weiter seinen Gedanken nach.
    »Haben Sie gehört, daß es schon ein richtiges Gefecht mit den Russen gegeben hat?« fragte sie nach einer Weile.
    »Wenn du auf dem laufenden bleiben willst, solltest du wissen, daß es zwei gegeben hat«, erwiderte er etwas zu scharf. »Einmal hat das württembergische Reiterregiment mit der russischen Nachhut gekämpft.«
    »Und das zweite?« fragte sie.
    »Das war vor wenigen Tagen. Das 11. und das 12. französische Jägerregiment sind von feindlichen Husaren und Kosaken angefallen worden. Die meisten sind gefallen, General St. Genié selbst ist auch gefangengenommen worden.«
    »Sieht nicht so gut aus«, sagte sie leise.
    »Ach was, das waren unbedeutende Scharmützel, wart's ab, die großen Schlachten werden wir alle gewinnen. Nur der Starke wird das Schicksal zwingen.«
    »Natürlich und zwar mit den großen Sprüchen, die der kleine Korse ausspuckt.«
    Es gefällt mir, wenn sie frech ist, dachte er befriedigt und verbesserte sie nicht.
    Mühsam erklomm der kleine Trupp einen Hügel. Es ging nur langsam voran, da die Wagen immer wieder angeschoben werden mußten. Die sengende Mittagshitze setzte allen zu und auch Gerter begann sich langsam zu fragen, ob der Gutshof nicht vielleicht doch nur ein Produkt von Eli Abramows Phantasie war.
    Aber alle Zweifel an Abramows Versprechen schwanden, als der kleine Trupp die Bergkuppe erreichte und man im Tal zwischen wogenden Weizenfeldern das große herrschaftliche Gut ausmachen konnte. Schreiber ließ die Soldaten halten und Gerter schickte zwei Reiter mit einer weißen Fahne vor. Die Bewohner schienen jedoch nicht viel von diesem Friedenszeichen zu halten. Der Anblick der kleinen Kolonne auf dem Berg reichte, um die Menschen vom Hof zu vertreiben. Kopfschüttelnd beobachtete Schreiber durch Gerters Fernrohr, wie ein schlecht angespannter Wagen das Gelände in panischer Flucht verließ. Dutzende von Menschen liefen hinterher und verschwanden im nahen Wald.
    Eli Abramow hatte wirklich nicht übertrieben. Nicht nur Milch und Honig flossen auf diesem Gut, sondern in den Wirtschaftsgebäuden fanden sich auch riesige Mengen von Weizen, gebackenem Brot, Eiern, Butter und Schmalz, Fleisch, Hafer und Roggen. Im Vorratskeller entdeckten Johannes und Matthäus geräuchertes Fleisch, ein wenig Branntwein und ein Dutzend Milchtöpfe, Lebensmittel, die auf Julianes Anraten sofort an die 30 Soldaten ausgegeben wurden, damit sie zu Kräften kommen konnten.
    Gerter stellte Sicherheitsposten auf und sorgte dafür, daß die zwölf mitgenommenen Wagen unter strenger Beachtung militärischer Disziplin beladen wurden. Er ließ ganze Hühner- und Gänseställe abbrechen und mit dem gackernden und schnatternden Inhalt auf die Wagen stellen. Matthäus

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