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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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viel. Er braucht Halt, einen sicheren Ort, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist. Du hast also nichts dagegen, wenn er hier nachts erscheinen sollte?«
    »Wenn's ihm hilft«, meinte Matthäus. Er wußte, daß es Gerede unter den Soldaten geben würde, aber das störte ihn wenig. Er vertraute seiner Assenheimerin.
    Ohnesorg tauchte am übernächsten Abend im Zelt der Marketenderin auf und fragte, ob er die Nacht dort verbringen dürfe. »Ich will nicht stören. Nur einmal schlafen«, erklärte er. »Mössner hat sich angewöhnt, mich mitten in der Nacht zur Wache rufen zu lassen.«
    »Es wird Ärger geben, wenn du nicht angetroffen wirst«, gab Matthäus zu bedenken, aber als er in das verzweifelte Gesicht von Ohnesorg blickte, sagte er nichts mehr. Um selbst nicht in Schwierigkeiten zu kommen, beschloß er, die Nacht in der Herberge zu verbringen, die den Unteroffizieren zugewiesen war. Da er sonst bei der Assenheimerin im Zelt nächtigte, nahm er einen Strohsack mit.
    Jakob trat Ohnesorg seine Schlafstelle ab und kroch zu Juliane ins Bett. Im Einschlafen kuschelte sich der Junge enger an seine Beschützerin und als sie eine kleine Erektion gegen ihren Bauch spürte, traten ihr Tränen in die Augen.
    »Du bist doch noch ein Kind!« flüsterte sie. »Warum nur habe ich dich mitziehen lassen!«
    Sie wachte noch vor dem Morgengrauen auf und sah Ohnesorg auf dem Rand des Bettes sitzen und mit geweiteten Augen ins Leere starren.
    »Hast du gut geschlafen?« fragte sie flüsternd, um Jakob nicht zu wecken.
    Er schrak zusammen und als er endlich sprach, kam seine Stimme wie aus weiter Ferne.
    »Ich muß los.«
    Juliane sprang aus dem Bett.
    »Warte, ich mache dir noch einen Tee.«
    »Danke«, er schüttelte den Kopf. »Du hast genug für mich getan. Es tut mir leid, daß ich es dir nicht vergelten kann.«
    »Nach dem Krieg!« rief sie. »Dann lädst du uns ein und schlachtest ein Ferkel für uns. Versprochen?«
    »Psst!« Er legte einen Finger auf die Lippen, nickte zu dem schlafenden Kind hin, umarmte Juliane kurz und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Zelt.
    Zwei Soldaten, die in der Nähe beim Würfelspiel zusammensaßen, blickten auf und pfiffen, als sie Ohnesorg aus dem Zelt kommen sahen und am Eingang die Marketenderin mit aufgelösten Haaren erblickten.
    »Kümmert euch um euren eigenen Kram!« rief sie ihnen wütend zu und kratzte sich am Ellenbogen.
    Als sie die Matratze wegräumen wollte, fiel etwas zu Boden. Sie bückte sich und hob eine schweinslederne Geldbörse auf. Darin befanden sich ein Goldstück, ein paar Taler und eine dünne Goldkette mit einem Anhänger, der irgendein unerkennbares Tier darstellte. Die Börse wird er nötig haben, dachte sie und kleidete sich hastig an. Das gab ihr auch eine Entschuldigung, das Lager der Soldaten aufzusuchen, und sie nahm sich vor, Mössner die Meinung zu sagen, falls er ihr über den Weg lief. Sie kam zu spät.
    Sie hatte zwar einen Schuß gehört, sich aber nichts dabei gedacht, da die Soldaten im Morgengrauen oftmals auf Kaninchenjagd gingen. Dieser Schuß aber stammte aus Ohnesorgs Waffe. Er lag vor der Scheune, in der Mössner nächtigte, und um ihn herum hatte sich bereits ein Kreis von Soldaten gebildet.
    Juliane stieß alle zur Seite, kniete sich neben den Toten nieder und blickte fassungslos auf die Stelle, wo vor wenigen Minuten noch ein Gesicht gewesen war. Ein Mund, der zu ihr gesprochen, Augen, die sie traurig und verloren angeblickt hatten.
    »Das sieht mir ganz nach Ohnesorgs Börse aus«, hörte sie eine bekannte Stimme hinter sich. »Diese Marketender schrecken auch vor nichts zurück. Der Mann ist noch nicht kalt und schon hat sie seine Börse geraubt. Sofort hergeben!«
    Obwohl ihr die Knie so zitterten, daß sie fürchtete umzufallen, stand sie auf, drehte sich um und blickte Mössner ins Gesicht. Ihre linke Hand umklammerte die Börse, daß die Knöchel weiß hervortraten.
    »Du hast diesen Mann in den Tod getrieben!« zischte sie. »Ich kann dich nicht richten, so gern ich es auch täte. Weißt du noch, wer Gott ist? Weißt du das noch?« Sie trat einen Schritt auf ihn zu und hob die rechte Hand, als gebiete sie jedem zu schweigen. Das Getuschel der anderen Soldaten verstummte. Mössners Blick wurde unsicher. Er hob das Kinn und verzog den Mund, aber er konnte sich dem Eindruck nicht entziehen, den die Assenheimerin auf jeden der Anwesenden machte. Wie eine Rachegöttin stand sie vor ihm, mit Augen, aus denen Feuerpfeile zu sprühen schienen

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