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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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beaufsichtigte das Aufladen, während Johannes mit Juliane in die geräumige Küche des schloßähnlichen Gutshauses ging.
    Während die Marketenderin dicke Brotscheiben mit Schinken belegte, schrieb Johannes für den Besitzer Quittungen auf Deutsch und Französisch aus.
    »Wir sind keine Räuber«, meinte er zu Juliane, der das etwas übertrieben vorkam. »Was meinst du, was das ganze Zeug wert ist?«
    Sie blickte aus dem Fenster auf die beinahe voll beladenen Wagen.
    »Wenn ich das auf dem Markt kaufen würde, müßte ich mindestens 500 Rubel hinlegen«, untertrieb sie.
    »Gut, dann bestätige ich den Erhalt von Waren in Höhe von tausend Rubel.«
    »Warum fragen Sie mich, wenn Sie's doch besser wissen?«
    »Weil ich dich kenne, liebe Assenheimerin.«
    »Das bezweifle ich.«
    Er stand auf, berührte leicht ihren Arm, als er nach einem Schinkenbrot griff und sah plötzlich, daß die kurzen dunklen Härchen oberhalb ihres Handgelenks senkrecht standen.
    »Juliane!« rief er erschrocken. Sie folgte seinem Blick und hielt den Atem an. Noch nie hatte er sie beim Vornamen genannt!
    »Bin ich dir so widerwärtig?« fragte er ehrlich.
    Sie sah ihm stumm in die blaugrauen Augen und er konnte ihr auf den Grund ihrer Seele blicken. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Sie liebt mich, dachte er entsetzt, sie liebt mich! Mein Gott!
    Das Schinkenbrot fiel ihm aus der Hand, sein Mund näherte sich ihrem und sie schloß die Augen. Jetzt ist es soweit, dachte sie, von einem Glücksgefühl durchströmt, das sie benommen machte.
    In diesem Moment hörte sie die Stimme ihres Mannes durch die offene Küchentür: »Alles fertig, Herr Oberleutnant! Welch ein Glückstag!« Als Matthäus eintrat, bückte sich Gerter gerade nach dem Schinkenbrot und eine feuerrote Assenheimerin werkelte am Herd herum.
    »Wer wird das dem Gutsherrn auszahlen, Herr Oberleutnant?« setzte Juliane das Gespräch fort, als wäre nichts geschehen.
    Alle Achtung, dachte Gerter, erlebe ich hier die Geburt einer Verräterin? Er wollte ihr in nichts nachstehen und bemerkte unbekümmert: »Er kann es nach dem Krieg einfordern.«
    Matthäus ließ sich auf einen Stuhl fallen und biß in ein Schinkenbrot. »Julchen«, meinte er, »bist du auch so glücklich wie ich?«
    Sie wandte sich um und zwang sich, ihn anzusehen. Wie unschuldig er aussah, wie aufrecht und solide. Sie trat auf ihn zu und strich ihm mit dem Zeigefinger zärtlich einen Milchrest aus dem Grübchen am Kinn. Schlecht bin ich, schalt sie sich, verdorben, niederträchtig und unglaublich leichtsinnig. Wenn er nun eine Minute später gekommen wäre? Aber trotzdem wußte sie nicht, ob sie froh oder traurig darüber war, daß Gerter sie nicht geküßt hatte.
    »Ist euch eigentlich klar, daß dies die bisher erfolgreichste militärische Aktion unseres Feldzugs ist?« fragte Johannes Gerter. Er ahnte, was in der Assenheimerin vorging, wollte ganz schnell alles auswischen, was beinahe geschehen wäre. Und was geschehen war. Er winkte zum Fenster hin. »Eine Hand voll Soldaten, gerade erst dem Krankenlager entstiegen …«
    »… die durchaus bereit gewesen wären, ihre Kräfte mit denen der Kosaken zu messen, Herr Oberleutnant«, unterbrach ihn Schreiber, der nach dem Vorfall im Birkenwäldchen mit Gerter darüber diskutiert hatte, den Kosaken auch noch die eigenen Pferde abzujagen.
    Johannes schenkte drei Gläser Wein ein und schob den beiden je ein Glas zu.
    Er brauchte Matthäus, der Korporal mußte ihn vor der Assenheimerin, vor ihren Gefühlen und vielleicht auch vor seinen eigenen schützen, mußte einbezogen werden, auf daß die unerträglich vertraute Zweisamkeit in ein gebändigtes Dreiergespann umgewandelt würde.
    »Bitte kein ›Herr Oberleutnant‹ mehr, lieber Matthäus und liebe Assenheimerin«, begann er. »Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der dritte. Und ich bin stolz darauf, euer Freund zu sein, tut mir also den Gefallen und sagt endlich auch Du zu mir.«
    »Das geht doch nicht …«, begann Schreiber, aber Juliane nahm all ihren Mut zusammen, stand auf, küßte Johannes mitten auf den Mund, setzte sich wieder und bemerkte: »Das wurde auch höchste Zeit, lieber Johannes.« So, jetzt habe ich ihn geküßt, dachte sie befriedigt. Matthäus applaudierte und Johannes Gerter war sprachlos.
    Mit den übervoll beladenen Wagen mußte ein anderer Weg zurück nach Maliaty gefunden werden. Es führte zwar eine Landstraße am Gut vorbei, aber Eli Abramow gab zu bedenken, daß die Kolonne

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