Die Markgräfin
Italiener recht groß gewachsen. Dunkle, halblange
Haare und ein fein ausrasierter, filigraner Bart umrahmten ein Gesicht mit regelmäßigen Zügen und dem oliv getönten Teint des Südländers. Wenn er sprach, waren seine Hände ständig in Bewegung, und seine lebhaften braunen Augen blitzten. Insgesamt war der Venezianer eine angenehme Erscheinung, fand Georg. Er beschloss, ihn bei den Abendmahlzeiten zu sich an den Hauptmannstisch setzen zu lassen – das würde sicherlich interessante und abwechslungsreiche Gespräche im Plassenburger Alltagseinerlei geben.
»Außerdem habe ich für Euch vielleicht noch eine weitere Aufgabe, Messer Neri. Versteht Ihr Euch auch auf die Kunst des Vergoldens?«
Der Künstler nickte eifrig.
»Sehr gut sogar. Ich habe in den letzten beiden Jahren an mehreren Altären gearbeitet – dafür muss man das Belegen mit Blattgold gut beherrschen.«
»Schön. Der Markgraf wünscht nämlich, dass das gedrechselte Holzgeländer zur Fürstenempore in der Burgkapelle mit Gold überzogen wird, auf dass sein Platz beim Gottesdienst mit dem nötigen Prunk versehen sei.«
Lorenzo Neri legte den Kopf schief und breitete einladend die Arme aus.
»Es wird mir ein Vergnügen sein, seine markgräfliche Gnaden in allen Dingen zufrieden zu stellen, Commandante.«
»Dann dürft Ihr jetzt gehen, Meister Lorenzo. Einer der Jungen, die in der Hofstube warten, wird Euch Euer Zimmer zeigen. Wir sehen uns später beim Abendessen – Ihr müsst mir dann mehr von Euch erzählen.«
Georg entließ den Maler mit einem wohlwollenden Kopfnicken.
Lorenzo wanderte gemächlich zur Hofstube zurück. Er war zufrieden: Der Stellvertreter des Markgrafen schien ein umgänglicher Mensch zu sein, und die Arbeiten, die er ausführen sollte, boten keinerlei Schwierigkeiten und würden ihn für mindestens ein Jahr in Lohn und Brot setzen. Außerdem hatte er draußen im Schlosshof schon ein paar hübsche Mägde entdeckt, was seine Stimmung noch mehr hob. Frauen, Werben, Tändeleien, das bedeutete für ihn Inspiration. Er war von kaum einem Hof weitergezogen, ohne dort ein trauerndes Mädchen zurückzulassen, und manches Mal war auch ihm der Abschied schwer gefallen.
Schon von weitem hörte er Kinderstimmen aus der Hofstube dringen. Die Tür war nur angelehnt, und er trat geräuschlos ein. Drinnen standen sich zwei vielleicht zwölfjährige Buben mit hochroten Köpfen kampfbereit gegenüber.
»Und du hast die Speckwurst doch geklaut, gib’s zu!«
»Stimmt ja gar nicht!« Der blonde, etwas kleinere Junge ballte die Fäuste.
»Ich hab aber gesehen, wie du aus der Speis gekommen bist!« Auch der zweite Bub nahm Kampfstellung ein.
»Hast du nicht!«
»Ich sag’s dem Koch!«
Die beiden begannen verbissen zu raufen, während Lorenzo amüsiert zusah. Schließlich gewann der Große die Oberhand, packte den Blonden beim Kragen und schleuderte ihn mit Schwung von sich weg. Der schlitterte und taumelte in Richtung Tür, wo er direkt vor Lorenzos Füßen auf dem Hosenboden landete.
»Attenzione!«, schmunzelte der Maler und half dem Jungen beim Aufrappeln. »Hast du dir wehgetan?«
»Nö.«
Der Junge zog hörbar den Rotz durch die Nase hoch und rieb sich den schmerzenden Hintern. Dann begutachtete er den Italiener ausgiebig, während sein Gegenspieler sich unauffällig trollte.
»Du bist wohl der neue welsche Maler, oder? Dann soll ich dich zu deinem Zimmer führen. Komm mit!«
Er zog Lorenzo am Hemd und schritt mit wichtiger Miene voraus.
Lorenzo zog die Augenbrauen hoch. »Sag mir, hast du die Wurst gestohlen?«
Der Bursche grinste. »Na klar! Der alte Veit hält uns so kurz, und ich hab immer Hunger. Diesmal
hab ich nicht aufgepasst, und der Konrad hat mich erwischt. Blöde Petze!«
Die beiden liefen durch die Gänge in den Westflügel des Hochschlosses.
»Übrigens, ich heiße Johannes Fursfeh. Meine Freunde sagen zu mir Hans. Und wie heißt du?«
»Lorenzo Neri, per piacere.« Der Maler deutete eine kleine Verbeugung an.
»Klingt schön! Kommst du aus Italien wie unsere Bauleute?«
»Ja, aus Venezia – ihr sagt Venedig. Das ist eine Stadt, die hat man auf Holzstämmen ins Wasser gebaut.«
»Gibt’s ja gar nicht!« Hans staunte. »Eine ganze Stadt? Und das hält? Ist es schön da? Hier sind wir übrigens.« Der Junge blieb vor einer Tür stehen. »Wenn du willst, zeig ich dir mal die Burg. Ich kenne jeden Winkel, schließlich bin ich jetzt schon seit zwei Jahren hier Küchenjunge.«
Lorenzo mochte den blonden
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