Die Markgräfin
habt Ihr schon Recht. Aber ich dachte mir, in Deutschland gilt ein Maler mit italienischem Namen mehr, und deshalb habe ich den Familiennamen meiner Mutter angenommen. Lorenzo Neri klingt viel besser als Lorenzo Plechschmid, und – tra di noi – man kann mehr Geld verlangen. Ihr werdet mich doch dem Markgrafen nicht verraten, no?«
Georg lachte schallend und schüttelte den Kopf. Dann verschluckte er sich beinahe, als er sah, dass der Italiener aus seinem Wams ein kleines Etui zog und daraus ein längliches Ding mit zwei Zinken holte. Mit diesem Instrument stach er in ein Hühnerpastetchen und holte es sich auf die trockene Brotscheibe, die als Teller vor ihm lag. Er schnitt mit dem Messer ein Stück ab, spießte es zierlich und gekonnt auf das spitze Gerät und führte den Bissen tatsächlich damit zum Mund.
Der Schlosspfaffe war bass erstaunt. »Was ist denn das, Signor?«
Lorenzo hob verwundert die Augenbrauen und besah sich das Essgerät, als ob er es zum ersten Mal in der Hand hielte.
»Das? Oh, das ist eine Forchetta, wie sagt man? – Gabel? In Italien benutzt das jeder, außer die ganz
einfachen Leute. Man macht sich damit die Finger beim Essen nicht so schmutzig!«
»Eitles Getändel!«, kommentierte der Kaplan grimmig und langte demonstrativ mit allen Fünfen in die Fleischschüssel. »Warum hätte uns Gott Finger gegeben, wenn wir nicht damit essen sollen?«
Der Hauptmann dagegen war beeindruckt. »Ich habe schon von dieser neuen Sitte gehört, und auch hin und wieder bei vornehmen Banketten eine solche Gabel gesehen. Eigentlich hält man es bei uns für, na ja, lächerlich, mit so einem Ding zu hantieren. Ihr denkt jetzt bestimmt, wir hier im Norden sind recht ungeschlachte Bauern.«
Lorenzo grinste unmerklich in sich hinein. Diese Deutschen hatten wahrhaftig noch grobianische Tischsitten! Erst an einem einzigen der fürstlichen Höfe, wo er bisher gearbeitet hatte, war er auf einen Edelmann mit einer weiteren Gabel gestoßen, und der kam aus Holland! Italien war eben, was gutes Benehmen betraf, die führende Macht der Welt!
»Andere Länder, andere Gewohnheiten«, meinte der Maler gutmütig, zuckte die Schultern und ließ den nächsten Bissen mittels Gabel in seinem Mund verschwinden.
Inzwischen war ein leichtes Raunen durch die Hofstube gegangen. Die Frauen und Männer an den sechs Tischen standen nacheinander auf und knicksten
oder verbeugten sich. Durch die Mitte des Raumes kam eine hoch gewachsene Frau mit sicheren Schritten auf den Hauptmannstisch zu. Sie bewegte sich mit fließender Eleganz, lächelte und dankte nach links und nach rechts für die Grüße der Dienerschaft. Ihre in der Mitte gescheitelten dunklen Haare reichten, von einem tiefblauen Kopfschleier nur teilweise bedeckt, fast bis zur Taille. Das kirschfarbene Kleid, das über den vollen Brüsten einen üppigen Ausschnitt freigab und in großzügigem Faltenwurf zu Boden fiel, leuchtete im hereinfallenden Licht der untergehenden Sonne.
Der Italiener ließ hingerissen seine Gabel sinken.
»La Madonna!«, murmelte er. »Cosi perfetta!«
Da stand sie vor ihm, das Motiv seiner zahlreichen Altarbilder, die Fleisch gewordene Idealvorstellung der Gottesmutter. Zart und gleichzeitig üppig, dunkel, fraulich und doch jungfräulich, zeitlos schön mit glatter Haut, bogenförmigen schwarzen Brauen, hoher Stirn, hellen Augen und einem Mund, der einem Versprechen gleichkam.
Und sie sprach.
»Mein lieber Georg, du hast mir gar nicht gesagt, dass wir heute einen Neuankömmling zum Essen haben. Ich wollte schon in den Frauengemächern bleiben, da hat’s mir die Susanna erzählt. Und da ließ ich mich von der Neugier hertreiben, du kennst mich ja! Willst du uns nicht miteinander bekannt machen?«
Mit diesen Worten setzte sich die Idealgestalt gut gelaunt neben den Hauptmann und ließ sich vom Tischdiener Wein einschenken.
Der Angesprochene beeilte sich, der Bitte nachzukommen.
»Liebden, ich darf Euch vorstellen den frisch angekommenen welschen Maler aus Venedig mit Namen Lorenzo Plech … , äh, Neri!«
Lorenzo tupfte sich mit einem Zipfel des Tischtuchs den Mund ab, stand auf und machte die stümperhafteste Verbeugung seines Lebens.
»Und Euch, Messer Neri, darf ich sagen, dass Euch heute Abend die Markgräfin Barbara von Brandenburg-Ansbach höchstselbst mit ihrer Anwesenheit beehrt!«
Barbara nickte huldvoll und stieß Georg spielerisch mit dem Ellbogen in die Seite. Dann wandte sie sich an den jungen Maler.
»Seid
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