Die Markgräfin
Schwarten. Wenn Sie mögen, können Sie sich da drüben hinsetzen. Ich mache jetzt ein Stündchen Mittag, aber der Hausmeister ist nebenan, wenn Sie was brauchen.«
Der Pfarrer erhob sich ächzend und ließ das knallrosa Ungetüm ein Stückchen zurückrollen, das ihm seit neuestem als Sitzplatz diente. Sein Bandscheibenvorfall machte ihm in letzter Zeit wieder schwer zu schaffen, und der orthopädische Gummiball, den ihm sein Hausarzt empfohlen hatte, sorgte wenigstens etwas für Linderung. Ein bisschen blöd kam sich Kellermann allerdings schon vor, wenn Besucher ins Büro kamen und er auf dem rosa Ding auf und ab wippte. Aber was tat man nicht alles auf Anraten der Ärzte!
Fleischmann und Geli schleppten die schweren Register zu einem Leseplatz vor dem Fenster und machten es sich dort nebeneinander bequem. Die Nähe seiner Angebeteten brachte den jungen Historiker schon von vornherein um alle Konzentration. Mit großer Anstrengung versuchte er, bei der Sache zu bleiben.
»Also, wonach suchen wir denn jetzt genau?« Gelis Frage riss ihn aus seinen Gedanken.
»Ganz einfach – nach einer Frau, die mit Nachnamen Zehrer heißt und im 16 . Jahrhundert hier gelebt hat.«
»Kann ja nicht so schwer sein, oder?«
Es handelte sich um die gleichen Verzeichnisse aller Taufen, Heiraten und Sterbefälle, die schon Kellermann durchforstet hatte. Fleischmann fuhr mit dem Zeigefinger die Spalten der Tabelle abwärts auf der Suche nach dem Namen Zehrer, desgleichen Geli Hufnagel. Die Köpfe rauchten. Nach über zwei Stunden, von denen Fleischmann jede Sekunde genossen hatte, hatten die beiden im Zeitraum von 1504 bis 1600 die Taufeinträge von vierunddreißig Zehrers gefunden, neunzehn davon weiblich.
»Fassen wir mal zusammen«, sinnierte Geli Hufnagel. »Von diesen neunzehn Frauen sind laut Sterberegister sieben bereits im Kindesalter gestorben. Bleiben zwölf. Acht von ihnen haben Kulmbacher Bürger geheiratet; davon starben fünf im Alter von dreißig
bis vierzig Jahren während der Schwangerschaft oder im Kindbett. Bleiben noch sieben Frauen übrig, drei verheiratete und vier unverheiratete.«
»Gut gemacht, Watson.« Beinahe hätte Fleischmann Geli anerkennend auf die Schulter geklopft, traute sich dann aber doch nicht.
Geli resümierte weiter. »Außerdem gibt es da noch elf Frauen, die einen männlichen Zehrer geheiratet haben und somit also auch Zehrer heißen. Das macht insgesamt achtzehn. Puh!«
Fleischmann trug die Namen in sein Notizbuch ein: sechs Elisabeths, vier Annas, zwei Katharinas, zwei Margarethes, eine Susanna, eine Arnhild, eine Ottilia und eine Sybilla. Hinter die Namen notierte er fein säuberlich die Geburts- und Sterbedaten sowie die Hochzeitstage und die neuen Familiennamen.
»Keine Babette, keine Brigitta, keine Barbara. Schade.« Fleischmann war vom Ergebnis etwas enttäuscht.
»Na, sind Sie vorangekommen?« Kellermann, der unbemerkt eingetreten war und die beiden schon längere Zeit von der Tür aus beobachtet hatte, schlug dem jungen Historiker jovial auf den Rücken. Er musste innerlich über seine beiden Besucher schmunzeln – die verstohlenen, schmachtenden Blicke, die Fleischmann seiner Helferin zugeworfen hatte, waren dem Pfarrer nicht entgangen. Der Gute hatte ja mehr nach
nebenan geguckt als in die Folianten! Und auch die Archivsekretärin war offensichtlich nicht ganz uninteressiert an ihrem Nebenmann. Wie zufällig war sie ein paar Mal näher an ihn herangerückt, das hatte Kellermann genau registriert. Ganz eindeutig: Zwischen den beiden tat sich was. Ach, musste Liebe schön sein. Kellermann freute sich, wie er das immer tat, wenn Kinder seiner Gemeinde zueinander fanden. Schließlich waren Ehe und Kinderkriegen eine der schönsten menschlichen Bestimmungen.
»Achtzehn potenzielle Klöpplerinnen haben wir gefunden«, sagte Fleischmann. »Das bedeutet, ich muss nur noch in Bamberg und Himmelkron nachprüfen, welche davon die Richtige ist. Eine von denen muss es sein.«
Kellermann nickte. »Großartig, mein Lieber, großartig. Cherchez la femme, nicht wahr?« Er stieß Fleischmann verschwörerisch mit dem Ellbogen an und blinzelte ihm zu. Der junge Historiker sah ob dieser Vertraulichkeit etwas verständnislos drein, machte aber gute Miene, während Kellermann fortfuhr: »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie was herauskriegen. Oder noch besser – wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch mal zu unserem Forscher-Stammtisch. Jeden ersten Freitag im Monat treffen wir uns, diesmal um
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