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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Bibliothek hat sich seit dem Krieg keiner mehr gekümmert. Ab und zu wird mal rausgeputzt, aber das ist auch schon alles. Ganz früher, ja, da hat eine von den Nonnen hier auf Ordnung geschaut und ein Verzeichnis geschrieben. In dem hab ich nachgeschaut und euch die Bücher hergerichtet, die aus dem sechzehnten Jahrhundert stammen. Da liegen sie.« Sie zeigte auf einen Stapel aus schweinsledernen Folianten, die auf einem Tisch in der Mitte des Raumes lagen. »Ich lass euch jetzt allein. Wenn ihr was braucht – ihr wisst ja, wo ich bin.«
     
    Fleischmann war zunächst etwas verlegen. Er und sie allein in einem Kellerraum … Ein anderer, dachte er, würde jetzt bestimmt die Situation ausnützen. Bloß ich Idiot trau mich nicht. Na, wenigstens fiel ihm ein, was er sagen sollte.
    »Nette Tante hast du da. Und erstklassige Küchle kann sie backen.« Fleischmann ließ sich auf einem Stuhl nieder. Und um die Situation gar nicht erst peinlich werden zu lassen, widmete er sich sofort den Büchern. »Na, dann schau’n wir mal.«
    Bei den ersten Bänden, die er aufschlug, handelte es sich um Rechnungsbücher und Klosterverwaltungsakten. Geli klappte derweil ein riesiges Register auf und las den Titel auf der ersten Innenseite.
    »Ein Urbar- und Salbuch nützt dir nichts, oder?«
    »Denke nicht. Da sind vermutlich nur die Besitzungen und die Steuerdaten des Klosters eingetragen.«
    Die nächste Kladde befasste sich mit kirchlichen Festen und gab eine Aufstellung verschiedener Gebete und Messzeremonien; ein weiteres Buch enthielt Wetteraufzeichnungen und Kalendereintragungen.
    »Ha! Das könnte was sein!« Fleischmann hatte einen dicken, rot verblichenen Lederband aufgeschlagen. »›Nonnen, so zum Closter gehören, Aufnahmen und Sterbefell‹.«
    Geli rückte ihren Stuhl dicht an Fleischmann heran, und die beiden steckten die Köpfe zusammen.
    »Schau, hier ist die Liste mit den achtzehn Namen, die wir im Dekanatsarchiv herausgefunden haben.« Er schlug sein Notizbuch auf und legte es in die Mitte des Tisches. »Aber denk dran – ein paar von denen haben geheiratet und damit einen anderen Nachnamen.
Sie könnten als Witwen ins Kloster gegangen sein. Wir müssen uns alle Namen angucken und dann vergleichen.«
    Das Buch begann mit einem Sterberegister, das die Jahre 1514 bis 1592 umfasste. Fleischmann fuhr mit dem Finger die Tabellen entlang, Seite für Seite. Die Schrift war anfangs schwer zu entziffern, aber dann, ab 1530 , hatte eine andere Schreiberin übernommen, die die Buchstaben klar und deutlich gesetzt hatte. Die dritte Schreiberin, nach Geli Hufnagels Worten ein »echter Schmierfink« mit fast nicht entzifferbarem Duktus, fand sich ab 1569 , die vierte, die beinahe malte wie ein Kind, ab 1577 .
    Nach einer Stunde hatten die beiden immer noch keinen Namen entdeckt, der mit Fleischmanns Liste übereingestimmt hätte. Doch plötzlich zuckte Geli leicht zusammen; ihr Zeigefinger schoss vor und deutete auf eine Eintragung aus dem Jahr 1581 .
    »Hier! Das muss sie sein! Schau, da steht’s: Schwester Immaculata, geborn als Susanna Zerer zu Culmbach. Dahingangen mit Gott am Tag vor … kann ich nicht lesen … anno 81 im 55 ten Jar. Unser Schwester im Herrn Immaculata hat die Kleider-Cammer versehn und auch in Küchen und Keller geholffen. Item auch sie ward mit der schlimmen Seuchen, die jetzo im Closter mit dem Gescheiß, fliegender Hitz und Auswurf wütet, geschlagen. Und ist nach zehn Tagen böser Kranckheit versehn mit den hl. Sacramenten
von uns gangen. Begraben wie die andern uffm Kirchhof unter der hohen Linden. RIP – Requiescat in pace.«
    »Wir haben sie, wir haben sie!« Fleischmann frohlockte. Er und Geli sahen sich triumphierend an. Jetzt ganz cool bleiben, dachte Fleischmann. In den Arm nehmen, Küsschen auf die Wange – aber halt, vorher Brille weg. Oder doch nicht? Bevor Fleischmann mit seiner Strategieplanung weiter fortgeschritten war, ging der Augenblick vorüber und Geli stand zu seiner grenzenlosen Enttäuschung auf. Verpasst!
     
    Später fuhren sie hinaus und spazierten nebeneinander über die spätsommerlichen Felder. Als die Sonne unterging, setzten sie sich unter einen knorrigen alten Birnbaum und redeten. Ach, hätte Fleischmann gewusst, dass Geli Hufnagel nur darauf wartete, endlich von ihm geküsst zu werden! Was für eine Nacht hätte dies werden können! So aber verging der romantische Abend, ohne dass er einen Vorstoß gewagt hätte, und die beiden fuhren getrennt und gleichermaßen

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