Die Markgräfin
der alte Eck hat sich früher die Hübschlerinnen nachts aus dem Frauenhaus kommen lassen, sagt meine Tante, und dass seine Bälger die halbe Stadt bevölkern! Die Männer sind alle gleich – dass einer nichts von dir will, kannst du
erst glauben, wenn er kastriert ist wie ein Ochs! Oder wenn’s der Hauptmann ist!«
Katharina fing an zu prusten, und die beiden kicherten so laut, dass es Barbara und der Kaplan nebenan hörten. Vom Uhrturm schlug es die fünfte Stunde. Tiefenthaler wurde bewusst, dass er schon viel zu lange im Frauenzimmer geblieben war.
»Verzeiht, Liebden, aber ich denke, ich habe Euch viel zu lange von Euren Aufgaben abgehalten. Aber ich würde mich freuen … «, er druckste verlegen herum wie ein Schuljunge, »ich meine, wenn es Euch beliebt, könnten wir unser Gespräch vielleicht bald einmal fortsetzen. Es war sehr schön … «
Die Markgräfin neigte den Kopf. »Auch mir hat die Unterhaltung mit Euch Freude gemacht, Vater. Wenn Ihr möchtet … manchmal besucht der welsche Maler mich und meine Zofen. Er singt so schön zur Laute und kann Geschichten erzählen. Wir sitzen in der letzten Zeit oft beieinander und verbringen ein oder zwei vergnügliche Stunden. Kommt doch beim nächsten Mal dazu, wenn es Eure Pflichten erlauben. Ich werde Euch zur rechten Zeit Bescheid geben lassen.«
Nachdem der Kaplan gegangen war, ließ sich Barbara nachdenklich wieder auf den Polstern nieder, spielte mit ihrem Weinbecher und schaute lange ins Feuer. Sie wunderte sich über sich selbst, aber sie fühlte sich zum ersten Mal seit vielen Jahren erleichtert und froh.
Tiefenthaler hingegen verließ das Frauenzimmer in einem Zustand der Spannung und Aufgewühltheit, der ihn zutiefst beunruhigte.
Tagebucheintrag von Jakob Tiefenthaler,
Montag den 4 .Dezember 1552
Montag Barbare nach dem ersten Advent anno 1552
O lieber Herr mein gnädiger Gott hilf, ein Wunderliches und Seltzams geschieht mit mir. Item ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ein Weib angesehen. Ein frommer, treuer Priester bin ich gewesen Jahr und Tag, hab streng auf meinen Glauben gehalten auf dass ich in den Himmel kommen wollt. Gelobt hab ich dir, mein Jesus, rein zu bleiben von fleischlicher Sünde wie ein Mönch sein muss. Verstiegen hab ich mich zur Hoffart, ein bessrer Gottesmann zu sein als andre, die in ehelicher Zucht leben. Für schwach und unvollkommen hab ich solche befunden, die wie weiland unser Doctor Luther ein Weib genommen. Es war mir leicht, denn ich hab nie viel Begierde und Anfechtung gespürt. Pollutionen hatte ich aus leiblicher Nötigung. Die Weiber schaute ich nicht einmal an, wenn sie beichteten, ihre Gesichter und Körper waren mir nichts. Und nun sehe ich die eine, und alle Reinheit meines Denkens ist dahin. Mein Wollen und Streben geht seithero nur zu ihr hin, die ich doch nie erreichen kann. So ist es doch
wahr, dass das Weib die Sünde und die Versuchung in die Welt gebracht! Gibt es ein schwerers Joch als das eines Priesters, der nicht mehr Herr über seinen eigenen Körper ist? O guter Herr Jesus, heile mich von meinen unkeuschen Gedanken!
Plassenburg, Dezember 1553
»Und der Doge von Venezia ist wirklich ins Wasser gefallen? Mit allen Kleidern?« Susanna prustete.
»Ma naturalmente, cara mia, oder glaubt Ihr, ich erzähle Lügengeschichten?« Lorenzo Neri riss die Augen mit dem treuherzigsten Unschuldsblick auf, den er je zustande gebracht hatte. »Seine Kammerdiener haben ihn mit einem Seil aus dem Canal Grande gezogen, nass wie ein Fisch, und er hat geflucht, wie ich noch nie einen Menschen habe fluchen hören. Madonna!«
In diesem Moment klopfte es. Kätha, zu deren Füßen der Maler hockte, sprang auf und öffnete flink. Sie war erstaunt, den Kaplan vor der Tür zu sehen. Er machte einen verlegenen Eindruck, und das Mädchen sah ihn fragend an.
»Guten Abend, Jungfer Katharina. Ich hoffe, ich störe nicht?«
Barbara, die seine Stimme von drinnen gehört hatte, fühlte sofort eine aufgeregte Freude in sich hochsteigen.
Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er ihrer Einladung Folge leisten würde. »Tretet ein, Vater Tiefenthaler.« Ihre Stimme klang herzlich. »Ich freue mich, dass Ihr uns Gesellschaft leisten wollt. Kommt, setzt Euch zu uns – wir lauschen gerade den unglaublichen Erzählungen unseres Messer Neri. Kätha, bring noch einen Becher und eine Decke für die Knie!«
Der Kaplan nahm auf dem freien Stuhl neben der Markgräfin Platz, während die Mädchen und der Maler lebhaft
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