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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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zustimmend und versperrte das Hängeschränkchen wieder sorgfältig.
    »Aber das Silberputztuch krieg ich wieder zurück, gell?«

Plassenburg, November 1552
    »Ihr habt die Madonna in der Kapelle abhängen lassen!«
    Empörung schwang in Barbaras Stimme. Sie hatte Tiefenthaler sofort nach der Messe zu sich rufen lassen. Mit blitzenden Augen stand sie vor dem brennenden Kamin in ihrer Kemenate und funkelte den jungen Pfarrer an, der unsicher dastand und den Katechismus ein wenig verkrampft in der Hand hielt. So hatte er sich seinen Einstandsbesuch bei der Markgräfin nicht vorgestellt.
    »Ihr habt Recht, Herrin, das habe ich selber getan! Vermutlich hat der alte Kaplan Körber es einfach vergessen. Ihr wisst doch, dass der Neue Glaube die Marienanbetung genauso ablehnt wie die der Heiligen. Sämtliche Festtage zu Ehren der Maria sind in der lutherischen Kirche abgeschafft und nur da beibehalten, wo sie gleichzeitig auch Christusfeste sind.«
Tiefenthaler wunderte sich etwas über Barbaras Aufregung. »Natürlich gebührt der Maria Ehre als Mutter unseres Herrn Jesus; dennoch gilt sie uns als Mensch, der genau wie alle anderen der Erlösung bedürftig ist. Wir glauben nicht an die Muttergottes als Gnadenvermittlerin. Und was die katholische These von der Jungfräulichkeit betrifft … « Der junge Geistliche errötete leicht bei seinen letzten Worten.
    Die Markgräfin beherrschte sich mühsam und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Ihr dunkelgrüner Surkot, den sie über dem ungefärbten wollenen Unterkleid trug, raschelte mit jedem Schritt. »Euere theologischen Spitzfindigkeiten sind mir gleichgültig, Vater Tiefenthaler«, sie legte eine deutliche Betonung auf das Wort »Vater«, »und ich will auch gar nicht darüber richten, welche Religion nun die rechte Ansicht über die Muttergottes pflegt. Ich weiß nur eines: Diese Marienfigur hängt seit sehr langer Zeit in unserer Kapelle, und niemand hat deswegen in seinem Glauben Schaden genommen. Im Gegenteil, gerade die Frauen des Haushalts hängen an der Mutter Maria – auch sie ist ein Weib und versteht, so glauben viele, die Nöte und Sorgen der Frauen am allerbesten.«
    Tiefenthaler beobachtete die streitbare Markgräfin, fasziniert von der zornigen Schönheit, die sie ausstrahlte. Ihre Wangen waren gerötet, und eine dunkle Haarsträhne hatte sich unter ihrer Netzhaube gelöst und fiel ihr in die Halsbeuge. Er bemerkte, dass ihre
Hände leicht zitterten. Von ihren schmalen Handgelenken zipfelten lange Trompetenärmel fast bis zum Boden.
    »Verzeiht, Liebden, aber dennoch kann ich als protestantischer Pfarrer in der momentanen Lage, selbst wenn es mir ein Anliegen wäre, nicht eine geschnitzte Madonna in meiner Kirche dulden, die ja förmlich zur Anbetung auffordert. Gerade jetzt, wo der Markgraf ins protestantische Lager übergegangen ist und streng darüber wachen lässt, dass im ganzen Land der lutherische Glaube genau nach den Vorschriften praktiziert wird. Erfährt Euer Bruder davon, dass in seiner eigenen Stammburg dem Marienkult Vorschub geleistet wird – nicht auszudenken … Ist es Euch denn so wichtig?«
    Barbara stand nun direkt vor Tiefenthaler und sah ihn mit ernsten Augen an. Sie war einen halben Kopf kleiner als er und musste nach oben schauen, um seinem Blick zu begegnen.
    »Ja, Herr Kaplan, das ist es. Diese Madonna ist für mich kein totes Stück Holz, und sie verdient nicht, dass man sie so behandelt.«
    Tiefenthaler konnte ihrem Blick nicht ausweichen. Seine Augen saugten sich für einen Moment an ihren fest, und er musste sich zusammennehmen, um weiterzudenken.
    »Euer markgräfliche Gnaden, vielleicht steht es mir nicht zu, aber ich habe das Gefühl, Ihr selber hegt
eine ganz besondere Liebe zu dieser Figur. Wollt Ihr mir nicht erzählen, warum?«
    Barbara zögerte. Sie kannte diesen Mann doch gar nicht, wie sollte sie ihm da ihr Innerstes offenbaren? Und dennoch, hier vor ihr stand einer, von dessen Sanftheit und Freundlichkeit sie angezogen wurde. War er es wert, ihre Geschichte zu erfahren? Eine Geschichte des Verachtetwerdens, der Demütigungen, der Verzweiflung? Sie schämte sich, ihm zu erzählen, dass ihr Ehemann sie nicht hatte haben wollen, scheute sich zuzugeben, dass sie ein verschmähtes Weib war. Der Gedanke, dass er in ihr eine späte Jungfer sehen könnte, alt und verwelkt, war ihr plötzlich unerträglich.
    »Vielleicht ein anderes Mal, Vater Tiefenthaler. Kann Euch nicht meine Bitte genügen?«
    Der Kaplan schüttelte

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