Die Markgräfin
Freundin, und Dank für deinen Brief, der mich vor kurzem erreicht hat. Du schreibst mir, gute Schwester, dass du, seit mein Bruder dein Gemahl uns mit Tod abgangen ist, im Ansbacher Schloss traurig und allein seist, und gar oft weinst und verzweifelst. Fürwahr, du weißt ja, dass auch ich lange Zeit gar schlimme Einsamkeit und Leid erduldet hab. Darumb versteh ich dein Leid und Sorgen wohl. Aber mir zweifelt nit, dass alles Schlimme auch einmal ein Ende haben mag, wie sich auch bei mir erwiesen hat. Auch für dich möchte bestimmt bald eine bessre Zeit anheben, du musst nur fest bleiben und dein Vertraun in Gott setzen. Item denk auch immer an deinen kleinen Schatz, den du lieben und bewahren sollst. Schon darum bist du nicht allein.
Hier zu Plassenberg hat sich vieles verändert. Die Festung ist voller Bauleute und Soldaten, sodass überall in den Höfen Bretterbuden als Unterkünfte stehen, Lagerfeuer brennen und es vor Menschen und Tieren wimmelt. Die neu gegrabnen Aborte im Zwinger reichen nicht, und so stinkt und muffelt es draußen, dass es ein Graus ist. Aber es hilft nicht, die Bastei zum Buchberg hin muss fertig werden, und die Verteidigung der Burg hat Vorrang vor allem Schönsinn. Mein
Bruder Albrecht, Gott straf ihn, treibt das Land in den Krieg, und der Herr allein weiß, wie’s ausgehn mag.
Obschon auf der Burg derohalben die Angst umgeht, sind unsre Tage dennoch froher denn je. Seit der venezianische Maler hier ist, herrscht Lachen und Gesang an den Abenden im Frauenzimmer, und die Kerzen brennen offt bis in die Nacht. Dieser Lorenzo, so ist sein Name, kann wundersam schöne Geschichten erzählen, von Feen, Riesen und Kobolden, Seeleuten, Rittern und Damen, und er spielt leidlich die Laute und singt fremdartige Lieder aus seiner Heimat. Er und eine meiner Hofdamen sind sich hertzlich zugethan; sie turteln wie die Täubchen, aber gehn zwischendrin auch aufeinander los wie die schlimmsten Streithähn. Sie nennen das Temprament! Fürwahr, auf ein solches könnt ich gern verzichten. Meine Lieb wär eher still und beständig!
Zu unserm Kreis gesellt sich auch oft der Hauptmann Georg. Es geht ihm wohler, seit ihm der Kulmbacher Drechsler ein künstlich Bein aus Holz gefertigt, das er auf seinen Beinstumpf und um die Hüfthen schnallt. Damit läufft er den gantzen Tag auf der Burg herumb, auch wenn sein vernarbter Stumpf derohalben schmertzt und nass und wund ist, und nimmt wieder Antheil am Leben. Zwar ist er immer noch ziemblich dem Trunk ergeben, doch ist es jetzo Gott sei Dank besser worden, und er empfängt auch wieder die Räthe.
Item noch einer verbringt so manchen Abend bei uns im Frauenzimmer. Von ihm muss ich dir berichten,
edle günstige Schwester, und doch weiß ich nicht recht, wie. Es ist der neue Schlosskaplan mit Namen Jacobus Tiefenthaler, der seit einigen Monaten unsern Gottesdienst versieht, ein frommer und sanfter junger Pfaff, der bei der Predigt den Heiligen Geist wahrlich auf uns niederregnen lässt. Er ist, so sagen die Burgweiber, ein schöner Kirchenmensch so recht nach Christi Vorbild, mit langem Haar und Augen in der Farbe dunklen Honigs.
Die Markgräfin hielt inne. Sie sah Jakob Tiefenthaler vor sich, sein Gesicht mit den regelmäßigen Zügen, seine breiten Schultern, die Art, wie er redete und lachte. Der Gänsekiel senkte sich, als Barbaras Gedanken abschweiften. Sie träumte von ihm, beinahe jede Nacht. Von seinen Händen, die ihre Haut streichelten, seinen Lippen, die sie dort berührten, wo noch nie ein Mann sie berührt hatte. Von seinem jungen, straffen, kraftvollen Körper, der sie begehrte. Nimm mich, flüsterte sie in diesen Träumen, sei zärtlich, wild, langsam, heftig. Tu mit mir, was du dir wünschst, was ich mir wünsche, ich bin dein Weib. Die Feder glitt wie von selbst über das Pergament und formte Buchstaben und Worte …
Die Wege des Herrn sind seltsam, und ich weiß nicht, ob ihn Himmel oder Hölle hergeführt haben. Eins weiß ich aber: Ich bin eine Wittwe, ein geschiedens Eheweib
und eine verlassene Verlobte, und doch hab ich die Liebe nicht gekannt, bis ich diesen Mann gesehn. Item mir ist nach Jubeln und Weinen zugleich, denn dieses ist wie ein Wunder und doch gegen alles Herkommen und jede Regel. Er ist nur ein kleiner Pfaff und ich von hohem Adel und unter der Fuchtel meines schlimmen Bruders, was soll das werden? Und doch, es ist mir, als sei er mein einzig Streben. Wenn wir zusammen sind, versinkt die Welt. Ich will ihn berühren und zittre
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