Die Markgräfin
doch davor. Mein Körper, meine Seele sehnt sich nach ihm, dass es wohl und wehe tut zugleich. Ich will seine Hände in meinen spüren, will hören, wie er meinen Namen flüstert, o Herr Jesus hilff! Liebwerte Schwester und Freundin, du schreibst du hast deinen Gatten geliebt und bist mit Wonne bei ihm gelegen, das muss ein Glück sein! Mir ist’s nicht vergönnt und doch vergeh ich danach. Ich will wissen …
Barbara brach ab – jetzt erst wurde ihr klar, was sie da geschrieben hatte. Sie las die letzten Sätze und erschrak über sich selber. Sie hatte sich hinreißen lassen. Mit entschlossenem Griff nahm sie den Brief, zerknüllte ihn und warf ihn ins Feuer. Die züngelnden Flammen erfassten das Pergament, schwärzten es zuerst an den Ecken und Rändern, bis das Blatt schließlich hell aufloderte und verbrannte. Die Markgräfin wartete, bis es zu Asche zerfallen war. Dann atmete sie tief durch und begann das Schreiben neu.
Brief der Markgräfin Barbara von Brandenburg-Ansbach
an ihre Schwägerin Emilia von Sachsen, Witwe
des verstorbenen Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach,
Plassenburg, 29 .Februar 1553
Liebwerte Schwester, meinen freundtlichen Gruß und Gottes Lieb auf allen Wegen. Es freut mein Hertz, in deinem letzten Brief zu hören, dass der kleine Georg Friedrich wohlauf und munter ist. Beste Freundin, der Grund für dieses mein Schreiben ist die grosse Sorge, die ich und auch die ehrnfesten gebirgischen Räte um unser Landt tragen. Es steht zu befürchten, dass Kaiser und Fürstenbund nach dem Passau’schen Vertrag uns mit Krieg überziehn. Albrecht ist, wir müssens wohl zugeben, der Todtengräber seines eignen Lands geworden. Ich bitt dich nun recht, mir bald und schnellstens Nachricht zu geben, was du über die Plän und Vorhaben des Fürstenbunds in Erfahrung bringen kannst. Wir müssen uns zu richten wissen, damit unser Fürstenthum und seine Unterthanen ohne Schaden davon kommen. Hilff du dazu – und bedenck dabei gut: Wenn Albrecht, was bestimmt nicht mehr zu wenden ist, dereinst stürzen und sein Landt verlieren solltt, dann ist dein Söhnchen der Erbe beider fränkischen Lande.
Gehab dich wohl und drück meinen kleinen Neffen fest für mich. Ich schick ihm mit diesem Schreiben ein hölzern Hündlein mit hinab nach Ansbach, nicht größer
als eine Faust. Unser welscher Maler hat’s nach dem Vorbild meines lieben Max geschnitzt, der jetzo schon alt und recht launisch geworden und öfter schnappt und beißt. Es ist gar niedlich anzusehn, als möcht es gleich aufspringen und bellen. Dir selber send ich ein Paar Handschuch, die ich selbst geklöppelt und verfertigt. Ich hab dafür das feinste dunkle Garn genommen, das es zu Culmbach zu kaufen gab.
Die heilige Mutter Maria wach über euch beide und beschütz euch auf allen Wegen.
Datum mit unsrer eigen Hand zu Plassenberg am
Mittwoch nach Palmarum anno 1553
Barbara geborne Markgräfin zu Brandenburg
Kulmbach, Ende Oktober 2002
Das »Schiff« war an diesem ungemütlich vernieselten Oktoberabend gerammelt voll; in der Gaststube stand eine Mischung aus verführerischen Essensdüften und Zigarettenqualm. Fünf Männer saßen mit gespannten Mienen um den Stammtisch, den Blick auf ein Stoffsäckchen gerichtet, das in der Mitte stand, wo sonst immer der riesige schmiedeeiserne Aschenbecher zu finden war.
»Machen Sie’s nicht so spannend, Herr Pfarrer!
Wenn wir noch lang so auf das Ding starren, fängt es an, sich in die Luft zu erheben und hin und her zu tanzen. Dann heißt es womöglich noch, Sie hätten hier eine spiritistische Sitzung abgehalten.« Haubold feixte und stieß Kellermann mit dem Ellbogen in die Seite. Er platzte schier vor Neugier, seit der Pfarrer angekündigt hatte, es gäbe eine neue Entwicklung im Fall »totes Kind«.
»Na, solch üble Nachrede wollen wir doch vermeiden.« Kellermann, der einen selbst für Geistliche besonders ausgeprägten Sinn für Zeremonien hatte, strich sich theatralisch über den lockigen Haarkranz, schob die Ärmel seines Strickpullovers zurück und löste dann mit langsamen, getragenen Bewegungen das Band, mit dem das Säckchen oben zusammengehalten wurde. Bedächtig schälte er den kleinen Pokal erst aus dem Rest eines alten Schlafanzugoberteils und danach aus dem blauen Silberputztuch. Dann stellte er das kostbare Teil, das inzwischen auf Hochglanz poliert war, wieder zurück auf die Tischplatte.
»Was ist denn das?« Ulrich Götz beugte sich nach vorn, die Nase ganz dicht am Pokal.
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